Ein vortrefflicher Schurke (German Edition)
Güte!« Endlich war ihr alles klar. »Deshalb kannst du Türschlösser mit Haarnadeln öffnen und so überzeugend lügen! Deshalb hast du in einem Moment wie ein Schurke gewirkt und im nächsten wie ein verantwortungsvoller Bürger.«
Er zuckte mit den Schultern. »Die Leute vertrauen einem Schurken Dinge an, die sie einem angesehenen Bürger niemals sagen würden.«
»Also hast du die ganze Zeit den Schurken gespielt, um heimlich Informationen sammeln zu können!« Sie hatte ihn wirklich völlig falsch eingeschätzt. »Wissen es meine Brüder?«
»Niemand weiß es«, antwortete er in warnendem Ton. »Und wenn es nach mir gegangen wäre, hättest du es auch nicht erfahren.«
Seine Worte kränkten sie. »Warum?«
»Zum einen dachte ich, es läge hinter mir und ich könnte einen Schlussstrich darunter ziehen. Und zum anderen ist es mir nicht erlaubt, darüber zu sprechen.«
»Nicht einmal mit deiner Frau?«, fragte sie, und plötzlich fiel ihr ein, was er ihr an jenem Nachmittag am Teich gesagt hatte: dass es Dinge in seiner Vergangenheit gab, über die er mit ihr nicht sprechen konnte. Und dass er sie nicht vor ihr ausbreiten würde, nur damit sie sich keine Sorgen machen musste, dass er wie ihr Vater war.
»Mit meiner Frau am allerwenigsten!«, erwiderte er. »Denn sie hat die Angewohnheit, in ihren Romanen über mich zu schreiben.«
»Aber nur, weil ich keine Ahnung von dem hatte, was du tust! Hätte ich gewusst, wie wichtig es ist, nicht nur für dich, sondern auch für das Land, hätte ich doch nie …«
»Ich habe dir
gesagt
, dass es wichtig ist«, blaffte er sie an. »Ich habe dich gebeten, es niemandem zu verraten, und du hast es trotzdem getan – und das nur, weil ich deinen Stolz verletzt habe.«
»Es war nicht mein Stolz, den du verletzt hast«, platzte sie im Eifer des Gefechts heraus. »Ich war in dich
verliebt
, du Narr!«
Als Giles erbleichte, verwünschte sie sich dafür, dass sie sich dazu hatte hinreißen lassen, ihm ihre verletzliche Seite zu offenbaren. Aber nun gab es kein Zurück mehr.
»Ich war in dich verliebt, und du hast mir das Herz gebrochen! Das war der Grund, warum ich in meinen Büchern über dich geschrieben habe!«
24
Giles starrte Minerva ungläubig an. Sie war in ihn verliebt gewesen? »Aber … aber du warst doch erst neunzehn.«
»Mein Gott, Giles, als wir uns geküsst haben, war ich schon jahrelang in dich verliebt. Seit du bei der Beerdigung meiner Eltern so freundlich zu mir warst.«
»Das ist Schwärmerei, keine Liebe«, protestierte er.
»Sag du mir nicht, was Liebe ist!«, entgegnete sie. »Ich weiß sehr wohl, ob ich verliebt war oder nicht.«
Da fiel es ihm plötzlich auf. »Ich
war
in dich verliebt«, hatte sie gesagt und nicht: »Ich
bin
in dich verliebt.«
Verdammt, was spielte das schon für eine Rolle? Er wollte gar nicht von ihr geliebt werden. Oder?
Sie ging zum Schreibtisch, um sich etwas Tee einzuschenken, obwohl er inzwischen eiskalt sein musste. Ihre Hände zitterten, als sie die Tasse an ihre Lippen führte, und nachdem sie kurz daran genippt hatte, stellte sie sie wieder ab.
Dann ergriff sie mit stockender Stimme abermals das Wort. »Ich habe dich praktisch mein halbes Leben lang vergöttert. Ich habe dich beobachtet, wenn du bei meinen Brüdern warst, und gebetet, dass du mich eines Tages als Frau wahrnehmen würdest.«
Das hatte er nicht gewusst. Er durchforstete sein Gedächtnis, aber das Einzige, woran er sich erinnerte, war, wie er sein Leben mit Alkohol, Frauen und Karten vergeudet hatte. Es war nach dem Selbstmord seines Vaters eine einzige Orgie gewesen.
Ihre Stimme wurde bitter. »Doch du hast in mir immer nur die dumme kleine Schwester deiner Freunde gesehen. Bis zu jenem Abend.« Sie drehte sich mit Tränen in den Augen zu ihm um. Er konnte es kaum ertragen, sie so zu sehen. »Ich habe mich unglaublich gefreut, als ich dich auf dem Maskenball getroffen habe. Deshalb bin ich hingegangen – in der Hoffnung, dass du dort sein würdest. Ich dachte, wenn du mich in diesem tief ausgeschnittenen Kleid siehst, würdest du mich begehren und dich Hals über Kopf in mich verlieben.«
»Ich habe dich an dem Abend begehrt«, sagte er in dem verzweifelten Bemühen, ihren Schmerz zu lindern. »Du warst eine Offenbarung.«
Sie zog eine Augenbraue hoch. »Aber du wolltest mich trotzdem nicht.«
»Damals nicht, nein. Mein Leben war ein einziges Durcheinander. Mein Vater hatte sich gerade umgebracht, und ich wollte Gerechtigkeit für ihn
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