Ein vortrefflicher Schurke (German Edition)
einen so schlechten Menschen hältst.« Er führte sie an den Leuten vorbei, die sich noch an der Rennstrecke aufhielten. »Den Abend ausgenommen, als ich die Papiere an mich gebracht habe, bin ich kein Dieb, Minerva. Ich schwöre es bei meiner Ehre.« Er sah sie nachdenklich an. »Oder denkst du, ich wäre ein zu großer Schurke, um überhaupt eine Ehre zu haben?«
»Nein, nein«, entgegnete sie verlegen. »Doch du hast mir immer noch nicht erklärt, warum …«
»Ich fürchte, das muss warten«, brummte er, als er seine Kutsche erblickte. »Wir haben ein viel dringenderes Problem.«
»Oh?«, murmelte sie ungehalten.
»Wie es aussieht, haben uns deine Brüder gefunden.«
Sie folgte seinem Blick und stöhnte.
Stoneville hatte es sich in der Kutsche bequem gemacht, ohne dem Knecht Beachtung zu schenken, der die Pferde festhielt und einen reichlich panischen Eindruck machte. Jarret und Gabe standen links und rechts von dem Zweispänner, und als Giles mit Minerva näher kam, verrieten ihm ihre Mienen, dass seine Schonfrist im Begriff war abzulaufen.
»Was für eine Überraschung, euch hier anzutreffen!«, witzelte er.
Jarret sah ihn grimmig, ja beinahe mordlüstern an. »Wir haben deine Kutsche gesehen und uns gedacht, dass du irgendwo in der Nähe sein musst.«
Minerva schmiegte sich an Giles, als suche sie Schutz bei ihm. Es war ein höchst befriedigendes Gefühl.
»Und da du sagtest, dass du mit Minerva verabredet bist …«, fuhr Gabe mit drohendem Blick fort.
Oliver sprang von der Kutsche herunter. »Ihre Haube ist ja völlig schief. Findest du nicht auch, Jarret, dass ihre Haube zerknittert aussieht?«
»Ganz eindeutig. Und ihr Kleid auch.«
»Nicht, dass es euch etwas angeht«, sagte Minerva schnippisch, »aber mein Kleid und meine Haube sind in Unordnung, weil wir uns vor Desmond versteckt haben.«
Das ließ ihre Brüder aufhorchen.
»Desmond war hier?«, fragte Oliver.
»Ja, und als Giles und ich ihn gesehen haben, sind wir ihm gefolgt, um herauszufinden, warum er hergekommen ist. Am Ende mussten wir uns in seinem Zimmer im Gasthaus verstecken und wären um ein Haar erwischt worden.«
Jarret schaute von Giles zu Minerva. »Vielleicht solltest du die Geschichte von Anfang an erzählen, Minerva.«
»Also gut.« Sie gab ihnen eine kurze Zusammenfassung, wie sie Desmond in das Gasthaus gefolgt waren. Wie Giles auffiel, ließ sie unerwähnt, dass er in Desmonds Zimmer eingebrochen war. Stattdessen erzählte sie, die Tür sei nicht abgeschlossen gewesen.
Wie eigenartig! Sie log, um ihn zu schützen. Sie mochte zwar der lächerlichen Auffassung sein, er sei ein Dieb oder etwas noch Schlimmeres, doch sie wollte offensichtlich nicht, dass er gefasst wurde.
Als sie zu der Stelle kam, wie sie sich in Desmonds Zimmer hinter dem Wandschirm versteckt hatten, stierte Jarret Giles finster an. »Wie konntest du ihr nur erlauben, dich bei deinen Nachforschungen zu begleiten?«
»Erlauben?«, erwiderte Giles. »Du kennst deine Schwester anscheinend nicht sehr gut, wenn du denkst, man könnte sie von etwas abhalten, das sie sich einmal in den Kopf gesetzt hat.«
»Du hättest sie überhaupt nicht herbringen dürfen«, sagte Gabe. »Herrgott noch mal, hast du gar keinen …«
»Ich habe ihn genötigt, mich herzubringen«, fiel Minerva ihm ins Wort. »Als ich herausgefunden habe, dass du gegen Mr Chetwin ein Rennen …«
»Wie, bitte schön, hast du das herausgefunden?« Gabe bedachte Giles mit einem wütenden Blick.
»Sieh mich nicht so an!«, sagte Giles. »Ich wusste nichts von dem Rennen!«
»Freddy hat es mir erzählt«, erklärte Minerva. Oliver fluchte leise vor sich hin. »Und nachdem ich erfahren hatte, dass du noch einmal diese furchtbare Strecke fahren willst, hätte mich die gesamte englische Armee nicht davon abhalten können zu versuchen, dir Einhalt zu gebieten. Ich wünschte nur, wir wären nicht zu spät gekommen.«
»Ich habe natürlich gewonnen«, erklärte Gabe mit einem überheblichen Grinsen.
Giles verdrehte die Augen.
So
ging man besser nicht mit Minerva um.
Und da marschierte sie auch schon auf ihn zu und bohrte ihm den Zeigefinger in die Brust. »Du hattest Glück, dass du nicht dein Leben lassen musstest, du Narr! Was hast du dir eigentlich dabei gedacht? Ich hatte angenommen, nach dem Unfall wärst du zur Vernunft gekommen – aber nein, was sahen wir, als wir ankamen? Du rast in einem waghalsigen Tempo auf die Felsblöcke zu …«
Ihre Stimme stockte, als müsste sie weinen,
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