Ein vortrefflicher Schurke (German Edition)
Eingang des Irrgartens.
Während sie ihre Schwiegermutter herumführte, plauderte sie mit ihr über ihre Einrichtungspläne für das neue Haus, doch ihre Gedanken waren mit anderen Dingen beschäftigt. Vielleicht gehörte Lady Kirkwood zu den Frauen, die nicht wussten, was ihre Männer so alles anstellten. Oder es war ihr einfach peinlich zuzugeben, dass ihr Mann ein Spieler gewesen war.
Doch eigentlich passten Ahnungslosigkeit und ein derartiges Versteckspiel gar nicht zu ihr. Gerade erst hatte sie sich über Giles’ Spielleidenschaft beschwert – warum sollte sie also die ihres Mannes verheimlichen?
Und wenn ihr Mann kein Spieler gewesen war, warum hatte Giles dann gesagt …
Als sie an den Tag vor einer Woche zurückdachte, stöhnte sie: Er hatte gar nichts gesagt! Wieder einmal hatte er sie ihre eigenen Schlüsse ziehen lassen, ohne irgendetwas einzugestehen oder zu bestreiten. Diese schlechte Angewohnheit musste sie unverzüglich im Keim ersticken, wenn sie eine halbwegs vernünftige Ehe führen wollten.
Bei der ersten Gelegenheit, die sich ihr bot, würde sie ihn mit der Wahrheit konfrontieren.
Mit welcher Wahrheit denn? Dass sein Vater nie gespielt hatte? Sie wusste doch gar nicht genau, ob es überhaupt stimmte. Abgesehen davon hatte er bereits kundgetan, dass er nicht mit ihr über die Vergangenheit sprechen wollte.
Sie musste die Sache auf sich beruhen lassen. Er hatte ihr versprochen, von nun an ehrlich zu ihr zu sein, und das war alles, worauf es ankam.
Nein, im Grunde nicht. Die Vergangenheit hatte ihn ebenso geprägt wie sie, Minerva, doch er gewährte ihr nur Zugang zu einem Teil seines Lebens. Warum? Was hatte er zu verbergen?
Nun, eines war sicher: Sie würde es nicht erfahren, indem sie ihn danach fragte. Er würde ihr entweder nichts sagen oder sie belügen, und das würde ihr das Herz brechen. Sie musste einen anderen Weg finden, die Wahrheit ans Licht zu bringen.
Als Lady Kirkwood und sie den Irrgarten verließen, sah sie Mr Pinter mit Oliver sprechen und kniff die Augen zusammen. Vielleicht war es an der Zeit, dass sie sich Hilfe holte.
Sie seufzte. Aber dann musste sie Mr Pinter alles anvertrauen, auch den Diebstahl, denn nur so konnte sie die Wahrheit erfahren. Durfte sie das? Oder war es zu gefährlich? Was, wenn sie Giles am Ende damit schadete?
Doch das konnte im Grunde nicht passieren. Mr Pinter wusste genau, wie er mit solchen Dingen umzugehen hatte. Er hatte bislang keines der Geheimnisse ihrer Familie preisgegeben, und diese Geheimnisse waren sicherlich viel dunkler. Er war diskret und sorgfältig, und er wusste bereits mehr über Giles als jeder andere. Und da sie nun mit ihm verheiratet war, zählten Giles’ Geheimnisse zu denen ihrer Familie, ob es ihm gefiel oder nicht.
Also gut. Sie würde sehen, was Mr Pinter in Erfahrung bringen konnte. Es wurde Zeit, dass sie herausfand, was ihr Mann vor ihr verbarg.
Giles beobachtete, wie seine Braut und seine Mutter auseinandergingen. Als Minerva nicht auf direktem Wege zu ihm zurückkehrte, verdüsterte sich seine Stimmung. Was natürlich albern war. Sie waren schließlich nicht aneinandergekettet, auch wenn immer von den »Fesseln der Ehe« die Rede war. Trotzdem, er sehnte sich nach Minerva. Er hatte sie die Woche über kaum gesehen, und schon bei dem Gedanken an die bevorstehende Hochzeitsnacht verschlug es ihm den Atem.
Es war schwer, nicht an das zu denken, was sie tun würden, denn in ihrem weißen Seidenkleid sah sie aus wie ein Engel. Die verspielten roten und grünen Rosetten am Rocksaum tanzten um ihre Fußknöchel, und ihren Hals zierte ein einzelner Edelstein: ein Smaragd, der mit ihren Augen um die Wette funkelte. Er konnte es nicht erwarten, diese Augen beim Liebesspiel aufleuchten und Minerva nur für ihn lächeln zu sehen und nicht für diese Narren, die gekommen waren, um Zeugen der »unerhört eiligen Hochzeit« zu sein.
Dann sah er, wohin seine Frau ging, und erstarrte. Was wollte sie von Pinter? Von dem viel zu gut aussehenden, liebenswürdigen und aufrechten Pinter?
Er wollte es gerade herausfinden, als ihn eine vertraute Stimme innehalten ließ.
»Gut, dass ich dich endlich allein erwische!«
Giles drehte sich zu Viscount Ravenswood um. »Vielen Dank für dein Kommen. Es hat mich sehr gefreut, dass du meine Einladung angenommen hast. Ich war nicht sicher, ob du die Zeit erübrigen kannst.«
Ravenswoods Lächeln wirkte angestrengt. »Eigentlich hatte ich nicht vor zu kommen, aber meine Vorgesetzten
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