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Ein Weihnachtswunder zum Verlieben - Roman

Ein Weihnachtswunder zum Verlieben - Roman

Titel: Ein Weihnachtswunder zum Verlieben - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ali Harris
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wenig Farbe gibt es zwar in der Abteilung, allerdings nur Töne, die nicht mal ansatzweise modisch oder sexy sind. Ungefähr ein halbes Dutzend Kleiderständer, die in der Mitte der Abteilung dicht an dicht nebeneinanderstehen, sind bis zum Bersten vollgestopft mit einer schier endlosen Auswahl an Nachthemden in verschiedenen Pastelltönen, und als regenbogenbunte Farbkleckse und krönendes i-Tüpfelchen gibt es auch noch gesteppte Morgenmäntel in schreienden Knallfarben: Krümelmonsterblau, Oskargrün, Elmorot und Bibogelb. Man könnte glatt meinen, man sei in der Sesamstraße gelandet statt in der Regent Street. Was nur beweist, dass es noch viel zu tun gibt.
    Ich stecke gerade mitten in den Umbauarbeiten und kämpfe mit einigen widerspenstigen Korsetts, während ich gleichzeitig fieberhaft überlege, ob meine Dekoidee mit den Federn und Perlen vielleicht doch etwas zu gewagt sein könnte, als ich imStockwerk unter mir ein Geräusch höre. Schnell gehe ich rüber und spähe über das Geländer nach unten, wo einige Mitglieder der Putzkolonne in der Lederwarenabteilung im Kreis stehen und allem Anschein nach etwas Wichtiges zu besprechen haben.
    »Hey, hallo!« Ich winke ihnen zu, worauf Justyna zu mir hochschaut und finster die Stirn runzelt, während Jan Baptysta meinen Gruß erwidert.
    »Guten Morgen, Evie-englische-Ehefrau! Du bist aber früh da, nie ? Du arbeitest zu schwer.«
    »Ach, du weißt doch selbst, wie es ist, Jan«, rufe ich zurück. »Wenn der Herr dich trägt, ist keine Arbeit zu schwer!«
    Er lacht, als mein kleiner Scherz durch das leere Kaufhaus hallt. »Du bist so lustig! Ist sie nicht lustig?«
    Justyna funkelt erst ihn böse an und dann mich, wobei ihre Monobraue einen düsteren Schatten über die dunklen Augen wirft. Gütiger Himmel, das hat mir gerade noch gefehlt. Schnell flitze ich die Treppe hinunter ins Erdgeschoss. Aus unerfindlichen Gründen scheinen sie heute nur in halber Besetzung gekommen zu sein; bloß Jan, Justyna und Velna sind da.
    »Wo sind denn die anderen?«, frage ich etwas verwirrt mit einem Blick in Jans ernstes Gesicht. »Die können sich doch nicht alle gleichzeitig krankgemeldet haben, oder?«
    Niedergeschlagen schüttelt Jan den Kopf. »Darüber wir haben gerade gesprochen. Sie haben geschissen.«
    Ich gebe mir Mühe, nicht rot zu werden. Irgendwie ist es mir peinlich, dass Jan so offen über derart private Angelegenheiten seiner Mitarbeiter redet. Ich meine, wir sind zwar alle Freunde, aber trotzdem …
    »Geschasst«, tadelt Justyna und rümpft angewidert die Hakennase. »Er meint, sie wurden geschasst.«
    Aha. Das ergibt schon wesentlich mehr Sinn. »Du meinst, sie wurden gefeuert?«, frage ich. Ein Blick in ihre unglücklichen Gesichter genügt, um diese Frage zu beantworten. Selbst der ewig gut gelaunten Velna hat diese Nachricht die Laune verhagelt. Ihre kleinen rosaroten Zöpfchen hängen traurig herunter, und der Kopfhörer baumelt schlaff um ihren Hals.
    »Mir tut so leid für sie«, sagt sie mit Tränen in den Augen. »Sie so schwer gearbeitet haben, und jetzt?« Justyna klopft ihr mütterlich auf die Schulter, dann verschränkt sie die Arme und guckt mich böse an, als sei ich an allem schuld.
    »Was ist denn passiert?«, frage ich.
    Jans Pitbullgesicht wirkt müde, als er mir erzählt, der Hälfte seiner Mitarbeiter sei von der Reinigungsfirma gekündigt worden, nachdem diese gestern einen Anruf von Rupert erhalten hatte. Der hatte der Firma mitgeteilt, Hardy’s könne sich die vielen Reinigungskräfte nicht mehr leisten. »Dann mein Chef mich hat angerufen, und ich musste sagen, wer darf bleiben und wer …« Jans Stimme bricht. »Das war schwer. Alle so hart arbeiten. Aber ich musste sagen.« Justyna streicht ihm liebevoll über den Arm, und die dichten Haare auf seinem Unterarm beugen sich unter ihrer Berührung wie Grashalme im Wind oder womöglich mehr wie dicke Äste.
    »Das ist ja furchtbar!«, sage ich. »Dann hat Rupert es dir nicht mal selbst gesagt?«
    »Wir sind nicht wert seine Zeit«, meint Justyna verbittert. »Wir arbeiten schwer hier, jahrelang, damit Laden ist schön, und doch wir sind wert nichts! Ihr macht mich krank, ihr Leute«, zischt sie.
    »Justyna!«, weist Jan sie zurecht und redet dann auf Polnisch auf sie ein. Mit hängendem Kopf lässt sie die Gardinenpredigt über sich ergehen. Es ist ihr offensichtlich peinlich, so gerügt zu werden.
    »Entschuldigung«, murmelt sie schroff.
    Ich lächele sie an und schüttele den Kopf.

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