Ein Weihnachtswunder zum Verlieben - Roman

ich im letzten Sommer bei einem Klassentreffen der Highschool war«, erzähltsie zögerlich. »Irgendwer hatte das über Facebook organisiert. Einige dieser Leute hatte ich seit meinem siebzehnten Lebensjahr nicht mehr gesehen, und ich habe mich wirklich darauf gefreut. Aber dann war es irgendwie, als sähen alle nur mein Gewicht. Nicht wie glücklich ich mit Stuart verheiratet oder wie glücklich ich in meinem Job bin oder was sonst noch wichtig ist in meinem Leben. Und plötzlich kam ich mir, verglichen mit all meinen ehemaligen Klassenkameradinnen, wie eine Versagerin vor. Gleich am nächsten Tag habe ich mich entschlossen, eine Diät zu machen. Ich habe angefangen Sport zu treiben und alles zu tun, was die anderen Frauen aus meinem Jahrgang machten, denen ich mich so schrecklich unterlegen fühlte, weil sie alle in hautenge Jeans passten. Aber es hat nichts genützt, wie man unschwer erkennen kann«, sagt sie mit einem traurigen Blick erst zu mir und dann zu den Rosinenschnecken. »Seit zehn Minuten locken die mich jetzt schon, dass ich sie essen soll.«
    Ich schnappe mir die Packung, und so sitzen wir eine Weile schweigend nebeneinander und mümmeln zufrieden Rosinenschnecken.
    »Ironie des Schicksals«, sage ich nachdenklich und schlucke den letzten Bissen herunter. »Du arbeitest zwar in der Dessousabteilung, traust dich aber nicht, dich deinem eigenen Mann in Unterwäsche zu zeigen.«
    Worauf Jane nur traurig lächelt und sagt: »Na ja, unsere Unterwäscheabteilung ist nicht gerade eine große Inspiration. Da gibt es eigentlich nur figurformende Bodys und Nylonnachthemden. Meine letzte Kundin war achtundachtzig. Seit ich hier arbeite, kaufe ich meine Unterwäsche mit dem Mitarbeiterrabatt von Hardy’s. Ich glaube, ich besitze kein Stück mehr, das nicht beige ist und groß genug, um darin zu zelten.« Sie grinst, und in dem verräterischen Zucken ihrer Mundwinkel sehe ich die alte Jane aufblitzen.
    »Ich hab’s!«, rufe ich, schnippe mit den Fingern und verschwinde in Gang vier, wo ich all die traumhaften originalverpackten Korsetts und Strumpfhaltergürtel aus den Fünfzigern verstaut habe.
    Als ich wieder um die Ecke linse, sehe ich, wie Jane sich noch eine Rosinenschnecke nimmt. Sie schaut auf und sieht all die traumschöne ungetragene Vintage-Unterwäsche, die verführerisch an meinen Fingern baumelt.
    »Wow!«, raunt sie tonlos und meint dann niedergeschlagen: »Da passe ich nie im Leben rein.«
    »Glaub mir, Jane, die sind wie für dich gemacht«, versichere ich ihr. Dann reiche ich ihr Mieder, Strumpfhalter und Strümpfe. Dann fällt mir noch etwas ein. Ich schnippe mit den Fingern und flitze in einen anderen Gang. »Ich habe genau das Richtige für dich, damit du dich wieder sexy fühlst«, rufe ich, während ich in eins der Regale tauche und schließlich das herausziehe, was ich gesucht habe. Schnell wiesele ich rüber zu Jane und drücke ihr zusätzlich zu den anderen Sachen, die sie schon in den Armen hat, noch etwas in die Hand. »Los, zieh das an«, kommandiere ich in einem Ton, der keinen Widerspruch duldet, während sie die Herrlichkeiten noch zweifelnd begutachtet. »Vertrau mir!« , meine ich lachend.
    Achselzuckend steht sie auf und verschwindet kopfschüttelnd hinter einer Regalreihe. Ich sitze da und trommele ungeduldig mit den Fingern auf der Armlehne des Sofas herum, während ich gespannt darauf warte, Jane in ihrer neuen Aufmachung zu sehen.
    Als sie dann endlich wieder hinter den Regalen hervorkommt und vor mir steht, traue ich meinen Augen kaum.
    »Hei-li-ges KANONENROHR!«, japse ich.
    Das leicht übergewichtige und unsichere Mädchen ist spurlos verschwunden. An ihrer Stelle steht da eine wohlgeformte Fraumit einer perfekten Sanduhrfigur, deren verführerische Rundungen in ihrem feschen Outfit einfach zum Anbeißen aussehen. Was nur beweist, dass gute formende Unterwäsche Wunder bewirken kann. Und ich habe Jane nicht nur Fünfziger-Jahre-Dessous gegeben, die ihre schmale Taille betonen, ihre Brüste stützen und ihrer Figur diese unwiderstehlichen Kurven verleihen, nein, ich habe ihr auch noch eine Schachtel mit einer alten Uniform von Hardy’s gegeben, die ich gleich zu Anfang entdeckt habe, als ich hier noch ganz neu war. Sie besteht aus einem klassischen Rock in Vierziger-Jahre-Khakigrün, dazu eine weiße Bluse, die Janes beeindruckende Oberweite besonders gut zur Geltung bringt, mit Knöpfen am Kragen und Puffärmeln, und dazu ein schwarzer Gürtel, der die Taille betont,