Ein Weihnachtswunder zum Verlieben - Roman
winke ihm zu und bahne mir den Weg durch die Menschenmenge, und er schaut auf und lächelt mir strahlend zu. Es ist nicht zu übersehen, dass er sich zur Feier des Tages schick gemacht hat. Er trägt ein in die Jeans gestecktes gestreiftes Hemd, das ein klein wenig über dem Bauch spannt,dazu einen Blazer mit dezentem Karomuster, und abgerundet wird das Ganze durch ein fesches Paisley-Tuch, das er sich um den Hals geschlungen und in den offenen Hemdkragen gesteckt hat. Erst da geht mir auf, dass ich ihn noch nie anders als in seiner dunkelblauen Nachtwächteruniform gesehen habe, und auch, dass ich mir, hätte ich ihn nicht gekannt, gleich gedacht hätte, er müsse Witwer sein. Keine Frau hätte ihn so aus dem Haus gehen lassen, aber ich verkneife mir jegliche despektierliche Bemerkungen. Er selbst scheint nämlich hochzufrieden mit seinen Bemühungen.
»Hallo, mein Mädel!«, sagt er, und sein Gesicht knittert wie Krepppapier, als sich ein warmherziges Lächeln darauf ausbreitet. »Ich hab mir schon gedacht, dass es voll wird, also bin ich etwas früher gekommen und habe uns einen Tisch reserviert. Darf ich dir etwas zu trinken holen?«
»Ich bitte dich, Felix. Ich hole mir selbst was«, sage ich und bedeute ihm, er solle sich wieder setzen, als er Anstalten macht aufzustehen.
Mit gerunzelter Stirn müht er sich hinter dem Tisch hervor. »Das lässt du schön bleiben, Evie. Ich möchte mich revanchieren für all die vielen frühmorgendlichen Kaffees, die du mir immer mitbringst!«
»Na ja, wenn das so ist … Dann hätte ich gerne ein Glas Weißwein, bitte.« Lächelnd sehe ich zu, wie Felix sich zwischen Tisch und Bank durchzwängt und auf die Theke zusteuert.
Dann lehne ich mich zurück und genieße die Aussicht, einen freien Abend mit Freunden zu verbringen. Traurig, aber wahr, ich kann mich gar nicht mehr daran erinnern, wann ich das letzte Mal abends mit Freunden aus war. Carly und ich gehen zwar manchmal zusammen aus, aber immer nur zu zweit, und wir landen meistens in einer dieser angesagten neuen Bars, die sie immer aussucht und in denen ich mich nicht mal ansatzweisewohlfühle, weil da immer diese selbstgefälligen Medienfuzzis und -tussis rumhängen und dauernd mit den Händen oder ihren teuren Handtaschen wedeln und unsagbar coole Drinks schlürfen, aus Früchten, von denen ich noch nie was gehört habe, serviert von Barkeepern, die mich stets geflissentlich übersehen, wenn ich an der Theke stehe und verzweifelt versuche, ihre Aufmerksamkeit zu erregen, um endlich bedient zu werden. Und dann sitze ich irgendwann auf einem unbequemen Barhocker, der für jemanden gemacht scheint, der zehn Kilo leichter ist als ich und einen Kopf größer, muss mich krampfhaft festhalten, damit ich nicht runterrutsche, und versuche, nicht so viel zu trinken, damit ich nicht zur Toilette muss, denn solche Bars finden unweigerlich immer eine Möglichkeit, die Toiletten nicht nach Toiletten aussehen zu lassen, sondern eher wie ein Raumschiff in Eierform. Oder aber die Kabinentüren sind mit Einwegspiegeln versehen, sodass man die Leute sehen kann, die draußen vorbeigehen, während man drinnen zu pinkeln versucht.
Und darum habe ich mich heute Abend auch für einen Laden entschieden, in dem sich alle wohlfühlen – ich eingeschlossen. Ich werfe einen Blick zur Theke und sehe Felix geduldig zwischen den bunt gemischten Gästen an der Theke warten, bis er bedient wird. Da wären zum Beispiel die unvermeidlichen gestressten Anzugträger, dann jede Menge Studenten, einige Pärchen, die hier vor dem Essen noch einen kleinen Aperitif nehmen, Geschäftsleute aus diesem Stadtteil, Verkäufer und hippe Vorstandsmitglieder aus den umliegenden Medienagenturen, die hier wie Pilze aus dem Boden geschossen sind, mit dicken schwarzen Hornbrillen.
Der Tisch, den Felix für uns ausgesucht hat, liegt gemütlich und etwas versteckt in einer Ecke, und das ist gut so, denn es ist jetzt schon brechend voll. Gerade denke ich noch, wie dringend ich was zu trinken brauche, da sehe ich eine vertraute Gestalt mit wehenden Fahnen durch die Menge auf mich zu rauschen.Lily strahlt über das ganze Gesicht, als sie mich sieht, und wieder einmal kann ich nur staunen, mit welcher Anmut und Leichtigkeit sie allem Anschein nach durchs Leben geht. Jeder macht ihr sofort Platz, und sie sieht ein bisschen aus wie Moses, der das Rote Meer teilt. Mit einem freundlichen Lächeln spaziert sie durch die Menschenmassen und hebt ein wenig die Hand zum Gruß, wie
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