Ein Weihnachtswunder zum Verlieben - Roman
Pyjamas, die sie sofort an sich nimmt.
»Komm SCHON, Raffy, du musst deinen Schlafi-Anzug anziehen«, kommandiert sie und zieht ihm etwas grob das Oberteil über den Kopf. Es macht ihr offensichtlich Spaß, eine lebensgroße Puppe anzukleiden.
Ich gehe aus dem Schlafzimmer, mache die Tür hinter mir zu und hoffe inständig, dass sich die Verwüstungen, die sie während meiner Abwesenheit in meinem Zimmer anrichten, in Grenzen halten werden. Schnell laufe ich die beiden Stockwerke nach unten. Sieht aus, als sei Delilah gleich in die Küche gegangen; in ihrem Schlafzimmer ist sie nicht, und auch nicht im Wohnzimmer, im Arbeitszimmer oder im Esszimmer. Gerade will ich schon nach unten ins Souterrain gehen, als ich eine gedämpfte Männerstimme höre. Will.
»Ich kann nicht lange reden.« Pause. »Sei vernünftig. Du weißt doch, in welche Lage mich das bringt, Helen.«
Leise setze ich mich auf die Treppe und lehne mich gegen das Geländer. Das Herz klopft mir bis zum Hals, während ich angestrengt die Ohren spitze und darauf lausche, was er sagt.
»Ich habe doch klar und deutlich gesagt, was ich will«, sagt er in einem etwas sanfteren Ton, »also, was sollen wir jetzt machen?« Wieder eine Pause. »Du weißt, dass das unmöglich ist. Delilah darf das unter keinen Umständen erfahren. Das würde sie nicht verkraften. Ich liebe sie, und darum möchte ich eine Lösung finden, ohne dass sie etwas davon erfahren muss. Das verstehst du doch sicher?« Er senkt die Stimme, und ich lehne mich weiter nach vorne, um ihn zu verstehen. »Hör zu, können wir uns bald treffen? Du weißt, wie viel mir daran liegt …«
Ich höre, wie die Hintertür auf- und wieder zugeht. Danach höre ich nichts mehr, aber das ist auch gar nicht nötig. Ich habe mehr als genug gehört.
Delilahs Mann hat eine Affäre. Und ich muss mir überlegen, was zum Teufel ich jetzt machen soll.
Vierundzwanzigstes Kapitel
I ch sitze im Bus und starre durch die beschlagenen Fenster hinaus in die Dunkelheit und sehe den Regentropfen zu, die gegen die Seitenscheiben trommeln und dann so schnell und zahlreich am Glas herunterlaufen, wie in meiner Vorstellung Delilah die Tränen übers Gesicht laufen würden, würde ich ihr von dem Gespräch erzählen, das ich gerade belauscht habe. Draußen pulsieren die Lichter der Häuser und Straßen wie ein Herzschlag, und ich höre das stete wisch wisch wisch der vorbeifahrenden Autos, die durch Pfützen zischen, während die Fahrer angestrengt durch die Windschutzscheibe stieren, wie hypnotisiert nach einer langen, harten Arbeitswoche auf die Straße starrend. Auf einmal kommt die Stadt mir vor wie ein lebendes, atmendes nachtaktives Tier, und seine Bewohner sind bloß kleine Amöben, die auf ihm herumkriechen.
Und wo wir gerade bei Amöben sind: Ich muss die ganze Zeit an Will, diesen ehebrechenden Dreckskerl, denken.
Nachdem ich zufällig sein Telefonat mit angehört habe, habe ich mich leise wieder die Treppe hinaufgeschlichen, wo ich Raffy, noch immer splitternackt, dabei ertappte, wie er auf meinem Bett herumhopste.
»Ich hab’s versucht, Tivie«, meinte Lola kläglich seufzend. Sie saß auf dem Boden und schaute ihrem Bruder ganz verzweifelt zu. »Aber er ist sehr sehr SEHR ungezogen.«
Genau wie sein Daddy, schoss es mir durch den Kopf, und dann schnappte ich mir den quiekenden, sich windenden Raffy,nahm ihn auf den Arm und steckte ihn in seinen Dinosaurier-Pyjama, um dann mit beiden nach unten zu gehen und ihnen einen Becher Milch als Schlummertrunk zu geben.
Beim Runtergehen versuchte ich, so viel Krach wie möglich zu machen, damit Will merkte, dass wir im Anmarsch waren, was nicht besonders schwer ist, wenn man in Begleitung zweier wie eine Büffelherde trampelnder Kleinkinder ist. Ich wollte kein Wort mehr von diesem Gespräch hören, und ich wollte ganz bestimmt nicht, dass die Kinder etwas davon mitbekamen. Als wir in die Küche kamen, saß Will auf einem der Barhocker vor der gigantischen Kücheninsel aus gebürstetem Granit. Sein iPhone lag vor ihm, daneben stand ein großes Glas Rotwein.
Ja, ganz recht, spül deine Schuldgefühle runter, dachte ich, als er einen großen Schluck trank und meinem Blick auswich.
Dann drehte Will sich um und strahlte übers ganze Gesicht, als die Kinder quiekend vor Freude auf ihn zustürmten, und ich bemühte mich, mir meine Abscheu nicht anmerken zu lassen. Will und ich haben uns nie besonders nahegestanden, aber ich würde sagen, bisher haben wir uns leben
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