Ein Weihnachtswunder zum Verlieben - Roman
unvorteilhafte Lage des Geschäfts für die Umsatzeinbußen verantwortlich gemacht, aber nicht die Gegend war daran schuld, sondern der galoppierende Werteverlust hier im Haus.«
»Wobei die Lage allerdings nicht gerade ein Pluspunkt ist«, werfe ich ein. »Ich meine, Hardy’s mag zwar im Zentrum liegen, aber in dieser Straße wimmelt es nur so von kleinen, fast vergessenen Läden wie dem unabhängigen Schirmladen links und dem kleinen alten Schuster rechts, die allesamt nicht gerade von Kundschaft überrannt werden.« Oft frage ich mich, wie die sich bei den sprunghaft steigenden Mietpreisen hier in der Gegend über Wasser halten. Was eigentlich wirklich schade ist, denn diese hübsche baumbestandene Straße, gesäumt von entzückend altmodischen Läden mit bunten Markisen, originellen kleinen Cafés und Delikatessengeschäften, hat eine Menge Potential.
Felix rümpft die Nase und sagt: »Achtzig Jahre lang war diese Gegend gut genug. Bis Sebastian kam.«
Ich schaue Sam an, der mir gegenübersitzt. Er ist ungewohnt still und stiert griesgrämig ins Nichts. »Alles okay?«, frage ich leise, während Lily und Felix weiter ihre Geschichten zum Bestengeben. Ich strecke die Hand aus und streiche über Sams Finger. Sie sind warm, aber er zuckt zurück.
»Alles bestens«, sagt er, dann stockt er und sieht mich an. »Ich dachte bloß …« Er bricht ab und senkt den Blick. »Nicht wichtig«, erklärt er dem Fußboden.
»Nein, Sam, bitte, was ist denn? Sag es mir.« Plötzlich fürchte ich, etwas falsch gemacht zu haben. Gefällt Sam der Pub nicht? Wäre er lieber in eine dieser Angeberbars gegangen, in denen Carly Stammgast ist? Hatte er mehr Leute erwartet? Eine größere Runde? Hippere Gesellschaft?
Er atmet aus und sieht mich vielsagend an. »Ich dachte, wir beide wären heute Abend allein.«
Ich bin völlig perplex. Wann haben Sam und ich je darüber gesprochen, nur zu zweit etwas zu unternehmen? Daran kann ich mich beim besten Willen nicht erinnern. Womöglich hat er, als er vorschlug, zusammen meine Beförderung zu feiern, angenommen, wir beide gingen allein aus, weil er glaubte, ich habe bei Hardy’s keine Freunde? Bestimmt, weil ich mich dauernd beklage, das Verkaufspersonal wisse nicht mal, wie ich richtig heiße. Und Sam weiß auch, dass die Verkäufer immer kommen und sich bei mir ausheulen, sich aber kein bisschen für mich und mein Leben interessieren. Vielleicht wollte er mir bloß einen Gefallen tun mit seinem Vorschlag, gemeinsam was trinken zu gehen. Und jetzt sitzen hier plötzlich so viele wunderbare Leute, von denen Sam noch nie etwas gehört hat.
»Tut mir leid, das war mein Fehler.« Ich lächele ihn entschuldigend an und drücke seine Hand. Er zieht sie weg und faltet die Hände unter dem Tisch. Vielleicht ist er ja bloß schüchtern und nicht gern unter so vielen unbekannten Menschen. »Aber so ist es doch viel netter, oder?«, fahre ich fröhlich fort. »Ich meine, nach dem Beförderungsdebakel ist mir eins klar geworden: Obwohl Sharon und Rupert nicht wissen, dass es mich überhaupt gibt,und sämtliche Verkäufer im ganzen Laden glauben, ich hieße Sarah, gibt es trotzdem eine Menge Menschen bei Hardy’s, die mich ziemlich gut kennen und die ich als echte Freunde bezeichnen würde. Genau wie du.«
»Freunde, genau«, meint Sam, und sein Adamsapfel hüpft auf und ab, als er schluckt.
»Kein Grund, nervös zu werden«, beruhige ich ihn leise in dem Glauben, dass die vielen fremden Menschen ihn einschüchtern. »Mir ginge es genauso. Die sind alle sehr nett und werden dich genauso mögen wie ich.«
Sam schaut zu mir auf, just in dem Moment, als ihm jemand ein neues Glas Lager vor die Nase stellt.
»Auf die Freundschaft«, sage ich, hebe das Glas und warte darauf, dass er mir ebenfalls zuprostet. Doch er starrt bloß wortlos in sein Bierglas und trinkt dann einen großen Schluck.
Eine Stunde später ist es fast, als würden wir alle uns schon ewig kennen. Wir trinken und unterhalten uns angeregt. Als ich zur Theke gehe, um Nachschub zu holen, und mir diese kleine, bunt zusammengewürfelte Truppe anschaue, überlege ich, was die anderen Pubbesucher wohl denken müssen. Würde man mich als Außenstehenden fragen, was uns alle miteinander verbindet, mir würde sicher keine schlüssige Antwort einfallen. Lily zum Beispiel, die eher aussieht, als würde sie sonst abends im Ritz dinieren, ist in ein Gespräch mit Jan vertieft, der auch in einem biergetränkten Fußballtrikot bei einem Spiel
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