Ein Weihnachtswunder zum Verlieben - Roman
von Arsenal nicht deplaziert wirken würde. Velna und Felix tauschen sich allem Anschein nach über ausgefallene modische Vorlieben aus, und Justyna schlägt gerade Sam kräftig auf den Rücken, der röhrt vor Lachen. Oder vor Schmerz; ich bin mir da nicht ganz sicher.
Wie ich sie so anschaue, bin ich fast ein bisschen stolz. Es müssen schon sehr besondere Menschen sein, die sich so schnellso gut verstehen, weshalb ich mich auch frage, ob ich meine Freundschaft zu diesen Leuten womöglich zu gering geschätzt habe. Warum bloß war ich so besessen von dem Gedanken, dass niemand bei Hardy’s mich wirklich kennt? Felix und ich haben uns während unserer morgendlichen Schwätzchen schon über Gott und die Welt unterhalten, von seiner Ehe mit Maisie und ihrem gemeinsamen, leider unerfüllten Kinderwunsch, bis hin zu meinem unerfüllten Wunsch, in meiner Familie endlich einen Platz und Anerkennung zu finden. Er weiß, wie nahe Delilah und ich uns stehen und dass ich mir sehnlichst wünsche, mein Vater wäre stolz auf mich. Er weiß, dass ich mich um meine Mum sorge, der ihre Kinder so sehr fehlen – zu sehr, um ehrlich zu sein –, und dass ich weiß, wie einsam sie sich fühlt, wenn sie mit Dad allein ist. Er weiß, dass mein Dad zu viel arbeitet und meine Brüder zu viel Blödsinn machen, aber ich sie alle sehr lieb habe und mir bloß wünsche, mich nicht immer wie das schwarze Schaf der Familie zu fühlen. Und Lily und Sam haben mir immer zugehört, wenn ich ein offenes Ohr brauchte, um mich über meinen Job oder mein nicht vorhandenes Privatleben auszuheulen.
Velna kenne ich noch nicht so gut, aber sie bringt mich bei der Arbeit jeden Tag zum Lachen, und das ist doch schon mal ein guter Anfang. Und obwohl ich mit Jan bisher noch keine langen Gespräche geführt habe, liegen wir doch irgendwie auf derselben Wellenlänge. Und nicht nur das, er hilft mir immer unermüdlich und lässt sogar seine eigene Arbeit liegen, um für mich frühmorgens massenweise Ware quer durch den Laden zu schleppen. Ich wüsste nicht, was ich ohne ihn täte. Ich glaube, ohne diese Leute möchte ich nicht mehr bei Hardy’s arbeiten. Weshalb ich mich jetzt auch frage, warum ich bloß so viel Zeit und Energie darauf vergeudet habe, Menschen wie Carly und Sharon beeindrucken zu wollen, damit sie mich endlich zur Kenntnis nehmen. Und da geht mir plötzlich auf, dass ich mich an die eigene Nase fassenmuss, denn auch ich habe die Leute, mit denen ich zusammenarbeite, als selbstverständlich erachtet.
Mit drei Gläsern in den Händen kehre ich an unseren Tisch zurück und gehe dann noch mal an die Theke, um die restlichen Gläser zu holen. Lily ist inzwischen auf Tonic Water umgestiegen. Wie sie uns vorhin sagte, nachdem sie Dorothy Parker zitiert hatte: »Man sollte aufhören, wenn es am schönsten ist, Darlings.« Worauf Jan trotzig sein Bierglas geleert und auf den Tisch geknallt hatte, worüber wir alle lachen mussten.
Ich serviere die restlichen Getränke und rutsche auf meinen Platz gleich neben Sam. Inzwischen ist der Tisch zweigeteilt: Auf der einen Seite unterhalten sich die Männer, auf der anderen plaudern die Frauen. Sam, Felix und Jan scheinen in eine angeregte Diskussion über Fußball vertieft zu sein, an der ich nicht das geringste Interesse habe, während Lily und Justyna aufgeregt miteinander tuscheln. Ich kann zwar nicht ganz genau verstehen, was sie sagen, aber Justynas sehnsüchtig-mörderischen Blicken nach zu urteilen, die sie Jan zuwirft, vermute ich, dass es um ihn geht.
»Alles okay?«, frage ich Velna, die ganz in ihre eigene kleine Welt versunken scheint.
»Oh, JA, mir geht es wunderbar«, erklärt sie nachdrücklich und strahlt mich an, wobei ihre entzückende kleine Zahnlücke hervorblitzt. »Ich nur dachte gerade, wie wunderbar es ist zu sein mit so wunderbaren Menschen. Es ist …« Sie seufzt, als suche sie ein Wort, das beschreibt, wie sie sich fühlt. »… wunderbar.« Ich lächele. Ihr Englisch ist ganz gut, aber ihr Wortschatz ist noch etwas eingeschränkt. »Alle hier sind so wunderbar. Sam sieht sehr gut aus, nicht? Ach, und Felix! Wie er mich bringt zum Lachen!«, ruft sie. »Und«, sie schlägt die Hände zusammen, »Lily hat versprochen, sie wird mir beibringen Tanzschritte, wenn ich teilnehme an Eurovision Song Contest. Sie ist eine – wie sagt man? –, ah, ja, eine wunderbare Frau.« Mit einem Blick zu Lilystupst Velna mich mit den Ellbogen in die Rippen. »Sie hilft Justyna, damit sie ist
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