Ein Weihnachtswunder zum Verlieben - Roman
ich weiß bloß nicht, warum. Vielleicht ist es besser, wenn ich gehe … obwohl ich gar nicht wüsste, wohin.«
»Carly, hör mir genau zu. Du bist ein tolles Mädchen und eine großartige Einkaufsberaterin, und die meisten Läden würden sich die Finger lecken nach einer Mitarbeiterin wie dir«, sage ich, weil ich ihr ramponiertes Selbstwertgefühl irgendwie ein bisschen aufpolieren will. Es kommt mir fast vor, als hätte ich es ihr gestohlen, genau wie ihren Kerl. »Du hast Talent, bist modebewusst, und du weißt genau, was Leuten steht. Hardy’s verändert sich, aber das heißt noch lange nicht, dass du deine Arbeit nicht gut machst. Denn das machst du. Deine Kollegen haben sich nur noch nicht daran gewöhnt, dass du nicht mehr eine von ihnen bist. Und wenn du ihnen das Gefühl gibst, unter dir zu stehen, dann bringt sie das gegen dich auf.«
»Das wollte ich doch gar nicht«, protestiert Carly. »Aber als Sharon und Rupert mich befördert haben, hat Sharon zu mir gesagt, als leitende Angestellte müsse ich professionelle Distanz zu meinen Mitarbeitern wahren. Und das habe ich gemacht.«
»Seien wir mal ehrlich«, sage ich sanft und stupse sie ein bisschen an, um ihr ein kleines Lachen zu entlocken. »Sharon ist auch nicht gerade die Beliebteste bei Hardy’s, oder?« Carly schnieft. »Und das heißt, du musst dich entscheiden. Willst du beliebt sein oder willst du respektiert werden?«
Carly nimmt den Kopf von meiner Schulter, die nun tränenfeucht ist. »Kann ich nicht beides sein?«, wimmert sie.
»Nein«, sage ich streng, »das geht nicht. Und offen gestanden, Carly, vielen bleibt nicht mal diese Wahl.«
»Mach keine Witze«, murmelt Carly und wischt sich mit dem Ärmel die Nase ab. »Alle lieben dich. Und Sharon schwadroniert dauernd, wie aufgeräumt und durchorganisiert das Warenlager ist, seit du da bist.«
»Tja, so einen tollen Eindruck kann ich aber nicht hinterlassen haben«, entgegne ich, ohne weiter nachzudenken, »weil sich nicht mal jemand an meinen Namen erinnert.« Rasch springe ich auf und wende mich ab, als mir aufgeht, was ich da eben gesagt habe.
»Was soll das heißen?« Ruckartig setzt Carly sich auf und schaut mich an, mit hochgezogenen Augenbrauen und tiefen Denkerfalten auf der sonst so glatten Stirn. Und trotz der hektischen Flecken im Gesicht und der roten laufenden Nase ist sie immer noch bildhübsch. »Natürlich wissen wir, wie du heißt. Jeder kennt doch Sarah, das Mädel aus dem Warenlager!«
»Aber genau das ist es ja«, wende ich frustriert ein. »Ihr wisst es eben nicht! Niemand weiß, wie ich heiße. Jedenfalls nicht, wie ich richtig heiße.« Carly guckt mich verständnislos an, und mirwird klar, dass ich zu viel verraten habe. Also atme ich tief durch und lasse die Arme hängen, während ich mir mühsam ein kleines Lächeln abringe. »Hör einfach nicht hin, Carly, ist schon gut. Ich bin bloß … momentan etwas gestresst.«
» Du bist gestresst«, mein Carly mürrisch. »Da solltest du mal in meiner Haut stecken.«
Wenn du wüsstest.
»Hör zu«, erkläre ich gereizt, »bleib doch einfach ein Weilchen hier unten. Ich mache jetzt Pause, und oben kümmert sich jemand um deine Abteilung. Schmink dich ein bisschen, mach dich frisch und beruhige dich erst mal, bevor du wieder hochgehst. Und denk immer dran, früher oder später gewöhnen die anderen sich an deine neue Stellung, wenn du ihnen mit demselben Respekt begegnest, den du dir auch von ihnen erwartest.«
Und dann gehe ich raus und lasse Carly auf der Couch sitzen wie einen ramponierten Weihnachtsengel, der einsam und verlassen unter dem Christbaum hockt.
Ich laufe durch die verschiedenen Abteilungen und suche Joel. Es ist elf Uhr, und um diese Zeit dreht Rupert normalerweise seine Runden durch den Laden, weshalb ich davon ausgehe, dass Joel ihn heute dabei begleitet. Es dauert nicht lange, da habe ich die beiden in der Herrenabteilung entdeckt.
Ich drücke mich an der Treppe herum und schaue runter, und sofort sehe ich Rupert und Joel nebeneinanderstehen wie ein seltsames Paar. In ein Gespräch vertieft halten sie sich im Hintergrund und beobachten, wie Guy seine Kunden bezirzt. Ein paar Minuten schaue ich zu, und rasch wird klar, dass dieses Gespräch ernster ist als gedacht. Ruperts Gesicht wird rot und immer roter, und er wirkt aufgebracht; dauernd schüttelt er den Kopf und schaut verzweifelt hinauf an die wunderschöne Kuppeldecke. Wobei es Joel nicht viel besser ergeht. Es sieht aus, als
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