Ein Weihnachtswunder zum Verlieben - Roman
lächele ihn dankbar an.
»Danke, euch allen«, sage ich, und es schnürt mir vor Rührung fast die Kehle zu. »Ihr wart einfach unglaublich. Jetzt ruht euch ein wenig aus. Das bisschen Aufräumen schaffe ich auch allein.«
Sie sind alle so erschöpft, dass niemand protestiert. Stumm ziehen sie sich Mäntel und Jacken an und verlassen einer nach dem anderen den Laden. Alle, bis auf Sam, der sich daranmacht, die verstreuten Tannennadeln unter dem Baum zusammenzufegen.
»Du auch, Sam«, sage ich. »Ehrlich, ich brauche nur noch die Kartons ins Lager zurückzubringen und ein paar Sachen wegzuräumen.«
»Sei nicht albern, ich lasse dich doch jetzt nicht allein«, meint Sam schroff, legt den Besen weg und sammelt ein paar leere Kartons ein. »Wer zuerst im Lager ist! Der Letzte macht den Tee!«
Freitag, 16. Dezember
Noch neun verkaufsoffene Tage bis Weihnachten
Siebenunddreißigstes Kapitel
I ch schlage die Augen auf und reibe sie mir schlaftrunken, während ich unter der Decke, die jemand behutsam über mir ausgebreitet hat, ein bisschen zittere. Meine Wange ist ganz feucht, vermutlich wegen der Sabberpfütze, die sich beim Schlafen an meinem Mundwinkel gesammelt hat, und meine Augen sind klebrig, weil ich mit Kontaktlinsen eingeschlafen bin. Sam hat mir beim Aufräumen geholfen und alle Kisten weggeräumt, und dann haben wir uns auf das Sofa gesetzt, über Gott und die Welt geredet und Tee getrunken, bis draußen der Morgen graute. Oder bis ich eingeschlafen bin, das weiß ich nicht mehr so genau. Ich kann mich nur noch vage daran erinnern, wie ich den Kopf an Sams Schulter gelehnt habe, gerade als er sagte, er müsse los, um seine Lieferrunde zu fahren. Anscheinend hat er gewartet, bis ich eingeschlafen bin, und hat mich dann zugedeckt. Insgeheim wünsche ich mir, er wäre nicht gegangen. Aber Sam ist nur ein guter Freund. Er ist mit Ella zusammen, und außerdem habe ich noch gar nicht mit Joel geredet und ihn gefragt, was zum Teufel er sich bei dieser Geschichte gedacht hat.
Am liebsten möchte ich mich um die Konfrontation drücken; ich will gar nicht hören, dass er mich von Anfang an nur benutzt und mich nie wirklich gemocht hat. So kompliziert es war, als ich versucht habe, Carly zu sein, so sehr hatte ich aber auch das Gefühl, das Leben tanzt endlich mal nach meiner Pfeife. Und Joels Aufmerksamkeit war dabei sehr wichtig. Sollte das Ganze seinerseits wirklich nur Theater gewesen sein, dann bin ich wieder da,wo ich angefangen habe. Dann bin ich wieder ich: unsichtbar, nicht weiter bemerkenswert, ich eben. Aber vielleicht ist es auch besser so. Nun ist alles wieder da, wo es hingehört.
Gähnend schlage ich die Decke über die Armlehne des Sofas zurück, schmatze leicht und überlege, ob man Zahnpasta durch Kaugummi ersetzen kann und ob ein starker Kaffee den unangenehmen Morgenatem eher übertüncht oder noch unterstreicht. Dann spritze ich mir am Spülbecken ein bisschen Wasser ins Gesicht und binde mir die Haare zum Pferdeschwanz zusammen, wobei ich das Gummi unter einer dicken Strähne verstecke, die ich drum herum wickele, damit es etwas adretter aussieht. Die Zeiten, als ich in Sack und Asche herumgelaufen bin, sind endgültig vorbei. Auch wenn ich die ganze Nacht wach war und nur ein langer Tag im Warenlager vor mir liegt. Ich tue es nicht für Joel; ich tue es für niemand anders als für mich selbst. Das hübsche Teekleidchen, das ich gestern Abend im Pub anhatte, ist noch erstaunlich frisch und unzerknittert, und mit einem Hauch Lippenstift, einer Spur Deo und einem Spritzer Chanel No. 5 aus meiner Handtasche bin ich bereit, mich dem neuen Morgen zu stellen. Oder ihn zumindest irgendwie hinter mich zu bringen.
»O Gott!«, kreischt Carly, die urplötzlich zur Lagerraumtür hereinplatzt und mich hochschrecken lässt. »Du musst rauskommen, sofort!«, und damit stürzt sie auf mich zu, packt mich am Arm und zerrt mich gewaltsam nach draußen in den Verkaufsbereich.
»SIEH DIR DAS AN!«, keucht sie und dreht sich staunend im Kreis, während sie die Weihnachtswunderumgestaltung des Ladens bestaunt.
»Wow!«, hauche ich, hoffentlich glaubhaft überrascht.
Carly beäugt mich misstrauisch. »Wieso hast du nichts davon gemerkt, als du heute Morgen gekommen bist?«
»Ähm, ich bin durch den Lieferanteneingang gekommen. Aber egal«, versuche ich das Gespräch auf sie zu lenken, »was machstdu denn schon so früh hier? Ist doch noch längst nicht deine Zeit.«
»Du weißt doch, wie es heißt«,
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