Ein Weihnachtswunder zum Verlieben - Roman
»Ich hatte schon befürchtet, dass so was passiert. Will hat mir erzählt, sie hat sich die ganze Woche nicht im Büro blicken lassen. Er macht sich große Sorgen um sie. Er wollte mit dir reden, aber vielleicht hatte er noch keine Gelegenheit –«
»Mum«, unterbreche ich sie. Ich kann es einfach nicht mehr ertragen, dass sie Will als perfekten besorgten Ehemann darstellt. »Es gibt da was, das du wissen solltest. Will hat eine Affäre. Delilah ahnt es nur, aber ich habe zufällig ein Telefongespräch mit angehört. Ach Mum, was sollen wir denn jetzt machen?«
Mum versucht mich ein wenig zu trösten und sagt mir, ich solle mir keine Sorgen machen. Aber das kann ich nicht. Ich habe meine Schwester im Stich gelassen, als sie mich am nötigsten brauchte. Ich war nur mit mir beschäftigt. Für all meine Kollegen hatte ich in den vergangenen Wochen ein offenes Ohr, und ich habe all meine Zeit und Kraft in meine Rettungsversuche für Hardy’s gesteckt. Aber als meine eigene Schwester meine Hilfe brauchte, habe ich weggeschaut.
»O Gott, sie klang schrecklich«, schluchze ich, und meine Mum redet beruhigend auf mich ein, aber ich merke, dass sie sich zusammenreißen muss, um nicht selbst die Beherrschung zu verlieren.
»Ich gehe jetzt nach Hause«, sage ich entschlossen, trotz der Tränen, die mir übers Gesicht laufen.
»Aber musst du nicht arbeiten, Schätzchen?«, wendet Mum ein. »Ich fahre zu ihr. Ich werfe schnell ein paar Sachen in meine Reisetasche, nehme den nächsten Zug und bin in drei Stunden da.«
»Tu das, Mum«, sage ich, »aber ich gehe jetzt trotzdem auf schnellstem Weg nach Hause. Zum Teufel mit dem Laden und meinem Job. Delilah braucht mich.«
Und damit lege ich auf und bin mir zum ersten Mal seit Langem sicher, das Richtige zu tun.
Achtunddreißigstes Kapitel
I ch schließe die Haustür auf und gehe ganz sachte hinein, die Standpauke noch schmerzlich im Ohr, die ich mir eben von Sharon anhören musste, weil ich an einem der geschäftigsten Einkaufstage des ganzen Jahres früher Schluss gemacht habe. Aber das ist mir egal. Meine Schwester braucht mich, und ich habe sie in den letzten Wochen viel zu oft hängen gelassen. Es ist ungewohnt ruhig im Haus. Die Kinder sind noch im Hort, was die tiefe Stille erklärt, aber Delilah müsste doch hier irgendwo sein.
»Lila?«, rufe ich zögerlich, während ich durch den hallenden Flur gehe, und der geflieste Boden wirft meine Stimme zurück. Künstlerisch anspruchsvolle Bilderbuchfamilienporträts in Schwarz-Weiß von Will, Delilah und den Kindern lächeln mir beunruhigend von den Wänden zu. Ich öffne die Tür zum Wohnzimmer und spähe in den imposanten Raum. Ein einsamer, minimalistischer silberner Weihnachtsbaum, perfekt auf die elegante taubenblaue Einrichtung abgestimmt, steht vor den bodentiefen Fenstern. Lolas antikes grauweiß gesprenkeltes Schaukelpferdchen musste ein Stück zur Seite rücken, um ihm Platz zu machen. Ich sehe auf den ersten Blick, dass Delilah nicht hier ist. Rasch schaue ich ins Büro und ins Spielzimmer, dann gehe ich nach unten in die sonst immer so blitzsaubere Küche. Jetzt allerdings liegen hier überall leere Weinflaschen verstreut, schmutzige Gläser stehen herum, Teller, Essensreste, Milch, Becher … und Tablettenschachteln. Entsetzt schnappe ich nach Luft, als ich die Paracetamol-Packungen über die Kücheninsel verstreut herumliegen sehe, und mit aufsteigender Panik untersuche ich jede einzelne davon. Sie sind alle leer.
Mein Magen zieht sich zu einem angstvollen Knoten zusammen, und ich drehe mich auf dem Absatz um und renne so schnell ich kann die Treppe hinauf, immer zwei Stufen auf einmal nehmend, und mein Herz hämmert so rasend, wie meine Füße laufen, und ich reiße alle Türen auf und suche verzweifelt nach Delilah.
»Lila!«, schreie ich. »LILA!« Ich stürze ins Schlafzimmer. Es ist dunkel und riecht durchdringend nach abgestandener Luft und Alkohol. Die Bettlaken sind nur noch ein zerknüllter Haufen, überall sind Klamotten verstreut, und mittendrin liegt ein lebloses Etwas, zusammengeringelt wie ein Fötus. Delilah.
»O Gott«, kreische ich und falle neben ihr auf die Knie, dann drehe ich ihren schlaffen Körper auf den Rücken, damit ich ihr Gesicht sehen kann. Die Tränen laufen mir über das Gesicht, ich schluchze vor Angst, während ich nach irgendeinem Lebenszeichen suche. »Delilah? Delilah, bitte sag was!« Ich tätschele ihre Wange, und ihre Lider öffnen sich flatternd.
»Evie?«,
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