Ein Weihnachtswunder zum Verlieben - Roman
Hilfe in den vergangenen beiden Jahren. Was zwar nicht mein schlechtes Gewissen beruhigt, sie in den letzten Wochen so im Stich gelassen zu haben, aber Delilah hat mir glaubhaft versichert, ich sei weder für sie noch für ihre Kinder verantwortlich. Und dann hat sie mich praktisch zur Haustür hinausgeschoben.
Ich bleibe kurz stehen und betrachte eingehend meinen mir anvertrauten Zögling, denn so sehe ich Hardy’s mittlerweile. Das Haus scheint gerader zu stehen, so als sei es aus tiefem Schlaf erwacht und bereit, sich der Welt zu stellen. Die Fenster sind mit langen roten Stores verhängt, und alles ist bereit für die große Enthüllung morgen. Hardy’s sieht aus, als habe es sich für ein rauschendes Weihnachtsfest in eine atemberaubende klassische Abendrobe geworfen. Nachdem er heute Morgen das Ergebnis unserer großen Weihnachtsumgestaltungsaktion gesehen hat, kam Rupert sogar von selbst auf die Idee, dem alten Mädchen ein bisschen Make-up zu verpassen. Nachmittags, als ich gerade den Laden verließ, hatten Jan Baptysta und seine entlassenen Kollegen aus der Putzkolonne alle Hände voll damit zu tun, dengroßen Fensterrahmen im Erdgeschoss einen neuen Anstrich in einem modernen Farrow & Ball-Grün zu verpassen, was die alte traditionelle Sandsteinmauer darüber noch besser zur Geltung bringt. Rupert hat sogar ein neues Ladenschild in Auftrag gegeben, und zwar beim ältesten Schildermacher von London, damit draußen wieder »Hardy’s« zu lesen ist. Jetzt glänzen die schwarzen eisernen Buchstaben stolz vor dem blassgrünen Hintergrund, und darunter, in kleineren schwarzen Buchstaben, ist aufgemalt: Est. 1910. Auch die Mauersteine aus Sandstein sind gereinigt worden, und wenn ich mir das Haus jetzt so anschaue, denke ich mir, dass Hardy’s genau so aussieht, wie ich mich fühle: aufgerüscht und zurechtgemacht für den großen Moment.
Ich streiche mein Kleid glatt und bin plötzlich unerklärlicherweise schrecklich nervös. Sam hat gesagt, ich solle mich hübsch machen, aber ich bin mir nicht sicher, ob ich dem Anlass entsprechend gekleidet bin, denn ich trage ausgerechnet das lindgrüne Fünfziger-Jahre-Chiffonkleid aus dem Schrank . Himmel, es scheint ewig her zu sein, seit ich es anprobiert und meiner Schwester vorgeführt habe. Ich kann kaum glauben, dass ich es jetzt tatsächlich trage. Hoffentlich habe ich es nicht übertrieben. Ich habe keine Ahnung, wo Sam mich erwartet oder was er vorhat. Ich hoffe bloß, er findet meine Aufmachung nicht völlig überkandidelt. Aber mir war danach, mich ein bisschen in Schale zu werfen. Etwas ungeschickt rücke ich meine hochgesteckten Haare zurecht und ziehe noch ein paar Strähnchen aus dem Dutt, damit die Frisur nicht ganz so streng aussieht. Gerade als ich mich schon frage, ob Sam mich vergessen hat, öffnet sich die Tür zum Personaleingang, und Felix erscheint, übers ganze Gesicht grinsend und in voller Montur mit schwarzem Anzug und Krawatte. Er verbeugt sich und führt mich dann nach drinnen.
»Felix!«, rufe ich und tue überrascht, dabei bin ich ein wenigenttäuscht, dass er hier ist. Sam hat sicher gedacht, es würde mich wieder auf andere Gedanken bringen, all meine Freunde zu sehen, was unter normalen Umständen ja auch stimmen würde. Aber heute Abend? Irgendwie bin ich plötzlich ein bisschen traurig – und komme mir ganz schön dumm vor. Als ich mich zurechtgemacht habe, hatte ich eigentlich gehofft, Sam und ich wären allein. Und das nicht nur, weil mir heute nicht nach einem geselligen Beisammensein in großer Runde ist.
»Evie, du siehst verteufelt gut aus!«, sagt Felix, korrigiert sich aber gleich.
»Äh-hem«, räuspert er sich und steht stramm. »Ich meine natürlich, Ma’am – Ihr Tisch erwartet Sie bereits!« Und dann verbeugt er sich, während ich durch die Tür gehe. Ich muss mir die Hand vor den Mund halten, um nicht laut loszuprusten. Felix in diesem Aufzug zu sehen ist etwas ungewohnt. Er hat sich rasiert, die Bartstoppeln sind verschwunden, und die sonst leicht strubbeligen Haare hat er mit einem Seitenscheitel gezähmt. So eine zurückhaltend geschmackvolle Aufmachung kennt man gar nicht von ihm. Er zwinkert mir zu und bietet mir dann seinen Arm an. »M’lady?«, sagt er mit einem kleinen Lächeln.
»Oh, danke sehr, Sir«, entgegne ich, mache einen kleinen Knicks und hake mich am angebotenen Arm unter.
Dann gehen wir gemeinsam durch den Flur, vorbei an dem Anschlagbrett mit den Bildern sämtlicher Angestellten, und aus
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