Ein Weihnachtswunder zum Verlieben - Roman
ungeduldig, »was meinst du, was ich tun soll?«
»Das ist doch kinderleicht«, entgegnet Delilah. »Geh mit dem heißen amerikanischen Schnuckelchen, wie heißt er noch mal – Joel –, geh mit ihm aus.« Sie unterbricht sich und grinst dann breit. »Hey, Joel «, raunt sie verführerisch mit einem grottenschlechten amerikanischen Akzent, und ich kann mir das Lachen nicht verkneifen. Dann macht sie plötzlich ein langes Gesicht. » Herrje« , murmelt sie. »Was würde ich nicht für eine heiße Verabredung geben«, seufzt sie theatralisch.
Worauf ich sie zweifelnd anschaue und mich frage, ob das wohl die ersten Anzeichen des verflixten siebten Jahres sind. So lange ist sie nämlich nun schon mit Will verheiratet. Dabei schienen die beiden immer so glücklich zu sein. Oder womöglich sind es auch die Vorboten einer verfrühten Midlife-Crisis. Würde ja passen, schließlich ist sie inzwischen vierunddreißig. Ich mustere sie eingehend, als könne ich dabei weitere versteckte Hinweise entdecken. Nein, es war wohl doch nur ein alberner, dahergesagter Einwurf; sie und Will sind das perfekte Paar. Das weiß doch jeder.
»Jetzt mal ganz ehrlich, Schwesterherz«, fahre ich fort, »du hältst mich nicht für einen schlechten Menschen, weil ich mich als Carly ausgegeben habe?«
»Nein, schlecht würde ich jetzt nicht sagen«, entgegnet sie bedächtig und nippt an ihrem Wein. »Nur ein wenig … verzweifelt.« Sie sieht mein schockiertes Gesicht. »Oh, das war nicht böse gemeint«, sagt sie und geht zum Ofen, um einen Blick auf die Pizza zu werfen. Sie öffnet die Tür und ein köstlicher Duft nach saftigen Tomaten, cremigem Mozzarella und aromatischem Basilikum steigt uns in die Nase, und mein Magen knurrt vernehmlich. Da erst geht mir auf, dass ich den ganzen Tag noch nichts gegessen habe, abgesehen von dem Löffelchen Bio-Linsensuppe der Kinder, die ich probiert habe; ein kläglicher Versuch, sie dazu zu bringen, sich das Essen in den Mund zu stecken, statt es andie Wand zu klatschen. Wenn ich ganz ehrlich bin, konnte ich sie, nachdem ich das Zeug gekostet hatte, nur zu gut verstehen. »Ich meine bloß, wenn man so lange keine Verabredung mehr hatte wie du , dann kann man das gut nachvollziehen. Das hätte jeder andere genauso gemacht.«
Sie lächelt und trinkt in dem beruhigenden Wissen, mich besänftigt zu haben, ein Schlückchen Wein, und merkt gar nicht, dass dieser Schuss jämmerlich nach hinten losging. Normalerweise ist sie ungleich einfühlsamer. Sie weiß doch ganz genau, wie sehr die Trennung von Jamie mir zu schaffen gemacht hat.
Ich habe ihn in einem Michelin-Sterne-Hotel in Norfolk kennengelernt, in dem ich arbeitete, während ich gerade mein Kunststudium abschloss. Er war ein ehrgeiziger angehender Koch; ich arbeitete an der Bar und als Kellnerin, um ein bisschen Geld zu verdienen, und im September wollte ich dann am London College of Fashion ein Aufbaustudium beginnen. Jamie war genau, wie man sich einen talentierten Jungkoch vorstellte: grüblerisch, leidenschaftlich, kreativ und unglaublich aufregend. So jemanden wie ihn hatte ich noch nie kennengelernt. Zwischen uns knisterte und funkte es über heißen Herdplatten und langen, späten Drinks nach der anstrengenden Schicht. Innerhalb weniger Wochen waren wir unzertrennlich, und als es dann schließlich August wurde und mein Abreisetag nach London unaufhaltsam näher rückte, zerbrachen wir uns den Kopf darüber, wie wir auf Dauer eine Fernbeziehung aufrechterhalten könnten. Ich war optimistisch, denn, so mein Argument, wir würden ja bloß zwei, drei Stunden Fahrt voneinander entfernt wohnen. Aber Jamie war felsenfest davon überzeugt, unsere Beziehung würde das auf gar keinen Fall überleben. Ich fand es toll, dass er keine halben Sachen machte. Bei ihm hieß es immer alles oder nichts. Es gab mir das Gefühl, gebraucht zu werden, aber gleichzeitig zog es mich nach London.
Zwei Wochen vor meinem Abreisetermin stand er bei mir vorder Tür und flehte mich an, nicht zu gehen. Er sagte, er könne ohne mich nicht leben, und warum ich nicht kapierte, dass die Entfernung uns den Rest geben würde? Er sagte, er liebe mich und könne nicht ohne mich sein, und wenn ich wegginge, dann wäre das für uns das Ende. Ich sagte ihm, dass ich ihn auch liebte. Dann nahm er meine Hand und sagte, wenn ich doch nur dableiben und ihm den Rücken freihalten könnte, bis er seine Ausbildung abgeschlossen hätte, und danach würde er dann dasselbe für mich tun und
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