Ein Weihnachtswunder zum Verlieben - Roman
mit mir nach London ziehen, damit ich mein Aufbaustudium absolvieren könnte. So könnten wir beide unseren Traum verwirklichen, und das Tollste daran wäre, wir könnten es gemeinsam tun. Unter Tränen stimmte ich zu. Ich fand es wunderbar, dass er mich so sehr liebte, dass er mich nicht gehen lassen wollte. Es erinnerte mich an meine Eltern und ihre Romanze, die für mich das Maß aller Dinge war, was die wahre große Liebe betraf. Und schau dir die beiden an, dachte ich. Nach achtundzwanzig Jahren immer noch glücklich verheiratet. Also beschloss ich, meine Karriere vorerst auf Eis zu legen und voll und ganz für Jamie da zu sein, wohl wissend, dass er eines Tages dasselbe für mich tun und mich rückhaltlos unterstützen würde. Es war ein Kompromiss, kein Opfer, auf den ich mich für mein »Und wenn sie nicht gestorben sind …«-Märchen-Happy-End nur zu gerne einließ.
Doch aus einem Jahr wurden zwei, aus zwei schließlich drei, und gerade als Jamie schließlich zum Chefkoch befördert wurde und sich bereit erklärte, endlich mit mir nach London zu ziehen, bekam ich einen Studienplatz im Graduiertenprogramm der Hochschule angeboten. Es war perfekt. Aber dann bekam Jamie aus heiterem Himmel das Angebot seines Lebens: eine Stelle als Koch in einem Pariser Restaurant. Besser geht’s nicht, sagte er. Ich könne doch stattdessen in Paris studieren. Der Gedanke schien allzu verlockend. Die Romantikerin in mir war hin undweg von der Idee. Ich stellte mir vor, wie wir uns ein hübsches kleines Studio-Apartment im Montmartre mieteten, an der Seine entlangschlenderten und in einem hübsch kleinen Straßencafé starken schwarzen Kaffee schlürften. Jamie könnte arbeiten und die Miete zahlen, während ich studierte und vielleicht ein bisschen Erfahrung im Mode-Marketing und -Verkauf sammelte. Und wo könnte man das wohl besser als in der Welthauptstadt der Mode?
Also lehnte ich auch diesmal den angebotenen Studienplatz dankend ab, und Jamie und ich schmiedeten fleißig Pläne für unseren großen Umzug, der im Mai stattfinden sollte, weshalb ich mich für im September beginnende Aufbaustudienkurse bewarb und vorschlug, im Sommer als Kellnerin zu jobben, um die Miete mitzufinanzieren. Jamie argumentierte aber, es sei doch viel sinnvoller, wenn ich in England blieb und weiter im Hotel arbeitete, während er in Paris alles arrangierte, seinen neuen Job antrat und eine Wohnung für uns suchte. Ich sollte dann Ende des Sommers zu ihm ziehen. Er meinte, die Zeit würde wie im Flug vergehen. Dieser Sommer war unendlich lang. Er arbeitete siebzig Stunden in der Woche, und irgendwie war nie Zeit für einen Besuch. Erst im August schafften wir es, ein gemeinsames Wochenende zu arrangieren, und ich sprang in den Eurostar, um ihn zu besuchen und mit ihm zusammen die Stadt zu erkunden, die schon bald mein neues Zuhause werden sollte. Zusammen verbrachten wir ein traumhaft schönes Wochenende mit Sightseeing, Kaffeetrinken und einem Einkaufsbummel durch zuckersüße Pariser Antiquitätenläden, und am Ende, als ich mit Jamie am Gare du Nord auf meinen Zug nach Hause wartete, erklärte er mir dann, dass es aus sei mit uns. Er sagte, er habe keine andere, er liebe mich immer noch, und das würde er auch immer. Ich sei seine beste Freundin, seine erste große Liebe, bla, bla, bla. Er brauche bloß das Gefühl, das Leben habe noch mehr zu bietenals das, was wir uns gemeinsam ausgemalt hatten. Er sagte, Paris habe ihm die Augen dafür geöffnet, das Leben zu genießen, solange er noch jung und die Zukunft ein großes Fragezeichen war. Und dann kam der Hammer. Er sagte mir doch tatsächlich, mit mir sei das Leben zu vorhersehbar geworden. Ich war am Boden zerstört. Es kam mir vor, als hätte man mir den Boden unter den Füßen weggezogen und die Zukunft aus den Händen gerissen. Ohne ihn wusste ich nicht mehr, wer ich war, und hatte Angst davor, es herauszufinden. Ich wollte mich einfach nur in einer dunklen Ecke verkriechen und mich unsichtbar machen.
Was ich dann auch tat.
Delilah dreht sich um, und ich starre angestrengt in eine andere Richtung. »Okay, was ist los?«, fragt sie und legt den Kopf schief, um mich anzusehen.
»Nichts«, murmele ich und versuche ihrem Blick auszuweichen, während sie sich bemüht, mir in die Augen zu sehen. Sie geht vor mir in die Hocke, und ihr goldenes Haar weht hoch und fällt ihr dann seidenweich und locker wieder auf die Schultern. Etwas beschämt zupfe ich an meinen braunen Strähnen herum.
Weitere Kostenlose Bücher