Ein Weihnachtswunder zum Verlieben - Roman
unwahrscheinlich ist. »Wir haben bei den Designern noch nichts verkauft«, erklärt sie den Tränen nahe. »Elaine meint, es sei eine Katastrophe. Und Rupert und Sharon finden das sicher auch.« Ihre Unterlippe zittert. Dann schluckt sie und reckt trotzig das Kinn. »Aber es ist mir egal, was die denken.«
Ich setze mich neben sie und schaue sie mit meinem mitfühlenden Zuhörgesicht an. »Das liegt bestimmt bloß daran, dass die Kunden noch nichts davon mitbekommen haben. Du bist nicht im Erdgeschoss wie die Kosmetikabteilung. Vielleicht solltest du den neuen Look morgen in einem der Schaufenster bewerben?«, empfehle ich hilfsbereit wie immer.
Mitfühlend ziehe ich die Stirn kraus, aber insgeheim frage ich mich, ob ich vielleicht doch richtig lag. Mrs. Fawsley, Iris, BabsBuckley, Lady Fontescue – die wollen keine künstlerisch wertvollen Kleider von angesagten Designern, die wollen tragbare Mode, die bequem ist und trotzdem elegant. Keine Frage, wir müssen weg von ihrem Stilverständnis, für das Mode hauptsächlich aus leicht entflammbaren Materialien und Würgereiz auslösenden Mustern besteht. Aber man muss sie sanft in die richtige Richtung lenken, so behutsam, dass sie nicht mal merken, dass sie dorthin wollen, bis sie da sind. Wie mit den Schafen auf Ruperts Farm. Arme Carly, denke ich, als ich sie so entmutigt vor mir sitzen sehe. Es ist nicht schön, recht zu behalten. Irgendwie habe ich das Gefühl, ihr helfen zu müssen. Ich glaube zwar kaum, dass sie meine Hilfe annehmen würde. Aber ich kann es ja zumindest versuchen.
»Ich glaube, ich weiß, wo der Hase im Pfeffer liegt«, grübele ich nachdenklich.
»Wirklich?« Sie schaut mich an und grinst verstohlen, während sie an ihrem Tee nippt. »Bitte, immer raus damit …«
»Es liegt nicht daran, dass deine Idee nicht gut wäre, sie ist bloß nicht das Richtige für Hardy’s derzeitige Kundschaft«, erkläre ich atemlos.
Carly stützt das Gesicht in die Hände und denkt einen Moment darüber nach. »Das könnte sein«, sagt sie schließlich.
»Und die Wahrheit ist ganz einfach«, fahre ich fort, »dass du eine Klientel bedienen willst, die wir noch nicht haben …«
»Leider«, wirft Carly verbittert ein.
»Also müssen wir irgendwie eine Brücke schlagen zwischen Alt und Neu. Bekleidungslinien einführen, die unseren Stammkunden gefallen, und gleichzeitig Artikel anbieten, die neue Kunden anlocken, die bisher noch nicht bei Hardy’s eingekauft haben …«
»Junge, modebewusste, coole Kunden, meinst du«, sagt sie lachend. »Weißt du was, Sarah«, sagt sie, setzt sich auf die Sofakante und drückt mir die leere Teetasse in die Hände. »Ichglaube, du hast recht! Es liegt nicht an mir, dass meine Frischzellenkur nicht funktioniert hat. Es liegt an den Kunden!«
»Na ja, das habe ich so nicht gesagt …«, wende ich ein, doch sie scheint mich gar nicht zu hören.
Stattdessen steht sie auf und bleibt direkt vor mir stehen. Ich kann von unten in ihre Nasenlöcher schauen, die sich vor Aufregung blähen.
»Also sollte ich einfach aufhören, mir den Kopf über die verstaubten alten Omas zu zerbrechen, die seit hundert Jahren hier einkaufen. Ist mir doch egal, was die denken. Ganz ehrlich, würde denen meine Abteilung gefallen, ich wäre glatt beleidigt. Nein«, meint sie an den Fingernägeln knabbernd und schaut dann versonnen in die Ferne, als ginge ihr gerade ein Licht auf, »nicht ich muss mich ändern, sondern die. Und genau das werde ich Rupert auch sagen. Ich bin ein Genie!« Sie lächelt huldvoll auf mich herab. »Kein Wunder, dass die mich befördert haben. Was würden die nur ohne mich machen?« Und damit beugt sie sich zu mir herunter, drückt mir die Schulter, dass es ein bisschen brennt, und stolziert dann nach draußen. »Danke fürs Zuhören, Sarah!«, ruft sie mir noch über die Schulter zu.
Als die Tür hinter ihr zufällt, lasse ich mich nach hinten auf die Couch sinken und mache die Augen zu. Damit habe ich alles nur noch schlimmer gemacht. Ich drehe den Kopf, werfe einen Blick auf die Uhr, und schlagartig geht es mir wieder besser. Nicht mehr lange bis zu meiner Verabredung mit Joel. Und dann kann ich diesen ganzen Schlamassel einfach vergessen.
Mehr oder weniger.
Zwanzigstes Kapitel
D ie abendliche Dunkelheit umhüllt die Stadt wie eine dicke Decke. Ich schlängele mich in Richtung Charing Cross, wo ich mit Joel verabredet bin, durch die Straßen. Gerade komme ich an Hamleys vorbei und bleibe kurz stehen, um mir die
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