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Ein weißes Land

Ein weißes Land

Titel: Ein weißes Land Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sherko Fatah
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konzentriert dabei. Was sie dann vorsichtig heraushoben, waren zwei Brotscheiben, zwischen denen entweder Käse oder Wurst lag. Die Entscheidung, welches ihrer Brote sie zuerst essen sollten, war für keinen von ihnen einfach zu treffen. Zwei tauschten ihre Brote sogar miteinander, waren dann immer noch nicht zufrieden und tauschten sie wieder zurück. Als der Erste endlich kaute, hielten die anderen nicht länger an sich und bissen gewaltige Stücke ab. Sie hoben die Köpfe, schmatzten vernehmlich, und in genau diesem Moment hellte sich ihre Stimmung auf. Das Essen machte sie freundlich, einer hob sein Brot sogar in unsere Richtung und rief mit vollem Mund:
    »Stulle.«
    Mir war nicht klar, ob es eine Frage oder eine Erklärung war, so hob ich nur die Hand und nickte dem Mann zu.
    Alle behielten die Toreinfahrt im Auge und eine Durchfahrt auf der anderen Seite, die auf einen weiteren, leeren Platz führte. Ich tat ein paar Schritte, um ihn besser sehen zu können, doch einer der Fahrer schüttelte den Zeigefinger. So blieb mir nichts, als zurückzugehen und mich wieder an den Wagen zu lehnen.
    Der Mann, der mich gewarnt hatte, war als Erster mit dem Essen fertig. Er stieg aus dem Auto, klopfte sich gewissenhaft die graue Uniform ab, setzte seine Schirmmütze auf und kam herüber. Er war nur neugierig und langweilte sich und doch wirkte, was er tat, wie ein förmlicher Besuch. Er stellte sich vor uns und betrachtete eingehend unsere Kleidung.
    »Wo kommt ihr denn her?«, fragte er, seine regen Augen machten das vierschrötige Gesicht vergessen.
    Ich antwortete ihm.
    Der Mann schaute hilflos drein. »Wo ist das denn?«
    Auch wenn ich mein Bestes tat, es ihm zu erklären, erzeugte ich nur Verwunderung.
    Er winkte seine Kollegen zu sich und zwei kamen tatsächlich heran, um die Fremden in Augenschein zu nehmen. Es war eine unangenehme Situation für Fadil und mich, denn die Fahrer wirkten bei aller Neugier distanziert, ihre Blicke waren zudringlich.
    »Gibt euch euer König nichts zu essen?«
    Der kräftige Mann, der die Frage stellte, schien der Witzbold der Truppe zu sein, er bleckte seine gelben Zähne und zwinkerte mir zu.
    »Der ist kein König«, sagte sein Kollege entschieden. »Der ist so was wie ein Bischof. Oder?« Er wandte sich an Fadil.
    Dieser wiederum blickte hilflos zu mir, der es ihm grob übersetzte.
    »Woher soll ich das wissen?«, fuhr der andere Fahrer dazwischen. »In letzter Zeit waren so viele hier, und jeder trägt eine andere Mütze.«
    »Ja, ein Bischof«, sagte ich.
    »Kann doch keiner wissen, woher die alle kommen«, fuhr der Witzbold fort. »Hätte nie gedacht, dass es überhaupt so viele von denen gibt. Mein Schwager hat sogar schon Mongolen gesehen, echte, schlitzäugige Mongolen auf Pferden mit Fellmützen und Schwertern. Hoffentlich kommen nicht alle Häuptlinge von denen hierher. Je mehr du da im Osten aufwühlst, umso ulkigere Gestalten kommen zum Vorschein. Und ein Dreck, sag ich euch. Ich hab Fotos gesehen. Tolle Sachen gibts da, tolle Sachen.«
    »Halt mal kurz die Klappe«, sagte der andere Fahrer und wandte sich wieder an mich. »Gibt er euch nichts zu essen?«
    »Doch, wir essen viel.«
    »So seht ihr aber nicht aus. Ihr fresst auch bloß, was vom Tisch fällt. Ist doch immer so.«
    Er stocherte mit dem Nagel des kleinen Fingers in den Zähnen. Kurz hob er den Kopf und ließ den Blick schweifen.
    »Wir hier sind ganz zufrieden. Hat schlimmere Zeiten gegeben, oder?« Seine Kollegen stimmten zu. »Wie ist es bei euch?«
    Ich musste mich anstrengen, um eine verständliche Antwort zu formulieren, sagte etwas von Unruhen in Bagdad und von Schwierigkeiten mit den Engländern.
    »Ja, ja.« Der Fahrer kratzte sich versonnen am Hinterkopf und senkte die Stimme: »Was können wir Kleinen da schon machen? Wir fahren die großen Leute hin und her und wenn es denen einfällt, gehts für uns nächsten Monat ab an die Front. Keiner weiß, was kommt.«
    »Wenn du nicht den Mund hältst, ist es bei dir vielleicht schon morgen so weit.« Es war der dritte Mann, der sich nun einmischte und ehrlich besorgt wirkte.
    »Hab ich nicht recht? Die machen doch mit uns, was sie wollen.«
    »Geht dir ja nicht schlecht dabei, oder?«, flüsterte der andere.
    »Ja, jetzt, aber was ist morgen?«
    »Überlass das dem Chef«, erwiderte sein Kollege mit einer angedeuteten Kopfbewegung in Richtung der Durchfahrt.
    »Ihr seid also Araber, ja?« Der Fahrer hatte sich wieder beruhigt. »Warte mal, ich hab mal ein

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