Ein weites Feld
sollte. Jedenfalls gute Reise. Wir werden vom Ufer aus winken.« Er sagte das mit aufgesetztem Kinderlächeln und hatte, als Fonty und mehr noch Emmi Wuttke protestierten, weil sie »auf keinen Fall« nach Schaprode wollte, nur einen einzigen Nachsatz übrig, dem er jedoch sein Lächeln entzog: »Glaube nicht, daß man mir diesen Wunsch abschlagen darf.« Einer von vielen beschließenden Hoftaller-Sätzen, die wir aufgelistet und in besonderer Mappe bewahrt haben. Er hätte auch »Das würde mich traurig machen« sagen können oder: »Hoffe, verstanden worden zu sein.« Bedrohlicher mußte er diesmal nicht werden. Zwar klagte Erwin, für Rumlauferei auf Rügen sei sie zu schlecht auf den Beinen, und keinesfalls wolle sie auf die Eisenbahnreise mit der Familie Freundlich verzichten: »Überhaupt lasse ich mir von niemand das Schiff vorschreiben. Das is nu endlich vorbei. Jetzt haben wir Freiheit!«
Doch Fonty hatte bereits die Kröte geschluckt: »Bedaure, mich fügen zu müssen. Geht wohl nicht anders.« Wir schwiegen. Und Eckhard Freundlich, der gleichfalls im Schlucken geübt war, kommentierte die verordnete Trennung: »Aber ich bitte Sie, lieber Wuttke, mit kleinen Schikanen oder, milder, gewissen Reisebestimmungen haben wir zu leben gelernt. Welch höherer Sinn dahintersteckt, weiß niemand. Ihr Briest sagte in ähnlich unwägbarer Situation: ›Ein weites Feld, Luise‹, nicht wahr?« Als der Professor dann doch noch, schon mit Koffern beladen. gezielt sagte: »Als mein Vater seinerzeit Mexiko in Richtung Deutschland verließ, glaubte er an etwas, das er bei Tisch, aber auch öffentlich ›die gute Sache‹ nannte; er hätte mit Ihresgleichen rechnen müssen …«, war Hoftaller schon wieder mit Lachgrübchen gesegnet: »Wäre vernünftig gewesen, zumal wir uns mit Ihrem Herrn Papa bereits unter Palmen befassen mußten und deshalb in Veracruz gleichfalls an Bord gingen. Doch Spaß beiseite. Wie sieht’s in Jena aus? Einfach scheußlich, diese Evaluierungsverfahren. Könnte mich, wenn gewünscht, nützlich machen. Unsere Kontakte … Sie verstehen … Will ungern deutlicher werden … Kann aber auch anders …« Die Freundlichs mußten aufs Schiff. Wir mit ihnen. Beide Töchter verängstigt. Die Frau des Professors sagte wiederholt: »Dieses Schwein.« Als die »Insel Hiddensee« ablegte, winkte Hoftaller lange mit einem schwarzweiß gewürfelten Taschentuch. Die Wuttkes standen mit hängenden Armen. Emmi weinte ein bißchen.
Schon während der Überfahrt nach Stralsund rätselten wir, welche zwingende Überraschung in Schaprode aus dem Hut gezaubert werden könnte. Was hatte Hoftaller schon zu bieten. außer der üblichen Fürsorge? Etwa eine befristete Schottlandreise, selbstverständlich mit begleitender Aufsicht? Alles mögliche, sogar die Leitung des Archivs, ehrenhalber, fiel uns ein, doch darauf, auf dieses einst begehrte, nun dem Spott preisgegebene Vehikel aus Zwickau, wären wir nicht gekommen. Kaum waren die drei an Bord gegangen, wurde Fonty beiseite gerufen. Später sagte er: »Meine Emilie wollte partout nicht an Deck bleiben. Kein Zureden half. Hockte während der Fahrt in der verqualmten Kajüte. Hingegen war mir im Übermaß frische Luft sicher.« Beide standen im Wind auf dem Achterdeck. Wieder die schwarz-gelben Wimpel, die Reusen, auf ihnen Kormorane, Bojen entlang der Fahrrinne. Wechselnde Flugformationen übender Zugvögel. Langgestreckt lag die autofreie Insel entrückt, vom Hügelland flach bis zum Gellen, der erahnt werden konnte. Sie schwiegen nebeneinander. Erst auf Höhe von Vitte wurde Fonty »die kleine Überraschung« bekanntgemacht. Hoftaller war nicht per Reichsbahn, sondern mit dem Auto angereist. Und wie andere Inselgäste hatte er seinen Wagen auf dem Parkplatz Schaprode nahe der Schiffsanlegestelle abgestellt. Er sagte: »Mein Privatwagen wartet auf Sie. Hiermit erlaube ich mir, das Ehepaar Wuttke zu ner gemeinsamen Fahrt einzuladen. Über Rügen, den Rügendamm, durch Stralsund werden wir bald auf der Autobahn sein. Bin übrigens passionierter Automobilist, und zwar seit frühesten Dienstjahren. Fuhr nen DKW. Keine Bange. Meinen Fahrkünsten kann vertraut werden. Außerdem kommen wir so viel schneller nach Berlin als mit der bummeligen Reichsbahn.« Erst jetzt, zu spät, lehnte Fonty ab. Er lasse sich nicht kujonieren und in solch eine Kiste zwängen. Wenn er schon auf das gemeinsame Eisenbahnabteil mit den Freundlichs verzichten müsse, werde er notgedrungen mit seiner
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