Ein weites Feld
Ruderpartien prompt wiederholen; nur ist es diesmal die Spree, nicht die Elbe …«
»Irrtum, Hoftaller! Gerudert wird überall, und Modell für Lene ist einzig die Tochter des Kastellans der Akademie der Künste gewesen, die ich während meiner kurzen Sekretärszeit beim Nähen beobachten konnte …«
»… und die ne dunkelhaarige Schönheit war, während uns ne aschblonde Gärtnerstochter und ne aschblonde Weißnäherin eine weitere aschblonde Person in Erinnerung rufen, die aber auf anderem Wasser -von wem wohl? – gerudert wurde …«
»Muß das sein, Tallhover? Ich bitte Sie …«
»Ne Person, die, sagen wir mal, geradezu schicksalhaft
dem Obergefreiten Wuttke anhing, und zwar während Kriegszeiten in Frankreich. Lyon, Frühjahr vierundvierzig. Aber diesmal hatten wir ne Gastwirtstochter im Kahn …«
»Könnt ihr denn absolut nichts vergessen …«
»… die auf den Namen Madeleine hörte. Und diese nicht mal besonders hübsche Französin …«
»Jetzt wird mir aber das Wasser zu kalt!«
»… gab ziemlich bald ne traurige Figur ab, weil …«
»Außerdem seh ich Emilie kommen, dort über die Düne …«
»… na, weil ihr ein gewisser Obergefreiter …«
»Aber sehen Sie doch, wie sich meine Emilie nähert, gestützt auf die Damen Freundlich, die morgen schon, wie ich hörte, abreisen wollen …«
»Na schön, seien wir gnädig. Aber es bleibt dabei: Dresden und die Folgen, Lyon und die Folgen …«
»… und übrigens reisen auch wir morgen schon ab, vorzeitig … Sind beunruhigt, weil von der Tochter keine Nachricht kommt. Sicher hat Mete nach Berlin geschrieben. Meine Frau ist, wie ich, voller Sorge …«
So endete das Fußbad in der Ostsee. Mit der Kneippkur wurde die peinliche Befragung abgebrochen. Im Weggehen sahen wir, wie Fonty sich als erster auf den Strand rettete. Seine blauen, ausgelaugten Füße. Mit letztem Satz – »Wir kommen darauf zurück« – folgte ihm Hoftaller, dessen Füße bis zu den Waden hoch krebsrot glühten. Schweigend gingen beide – Fonty noch immer mit hochgekrempelten Hosen – den Damen Freundlich und Emmi Wuttke entgegen, die sogleich das Gespräch bestimmte, denn ihr verstauchter Fuß bot Stoff genug.
Theo Wuttke sah sich von Frauen gerettet. Sogleich scherzte er mit den Töchtern – übrigens Zwillinge und deshalb von wiederholtem Reiz.
Zum Aufbruch der Inselgäste am nächsten Morgen läßt sich nur sagen, daß er sich heiter anbahnte. Weil uns die Arbeit zurück ins Archiv rief, reisten auch wir ab und wurden so zu beteiligten Zeugen.
Beinahe hätten die Wuttkes das Schiff verpaßt, denn Emmi hatte, trotz ihrer Beschwerden, noch einmal das Hauptmanngrab besuchen wollen – und zwar allein –, um dort eine einzelne Rose vor den Findling zu legen.
Fonty, der mit den Freundlichs zwischen Gepäckstücken am Bollwerk wartete, sagte zu uns und an Hoftaller vorbei:
»So ist das mit den Emilien. Schon die RouanetKummer hat dem Unsterblichen an ihrer Seite einen jungen Dachs vorgezogen. ›Mein Mann‹, hat sie gesagt, ›ist nur Journalist, obgleich er sich für nen richtigen Schriftsteller hält. Doch in dem Weber-Hauptmann, da steckt ein wahrer Dichter drin.‹ So war das. Sie las ja auch lieber Raabes ›Hungerpastor‹ oder die Stormschen Husumereien. Nur Mete hat an mich geglaubt.« Wir vom Archiv bestätigten diese Anekdote. Fonty lachte. Professor Freundlich lachte. Beide lachten noch immer, als Emmi Wuttke leicht humpelnd die Schiffsanlegestelle erreichte. Jetzt lachte auch Emmi, als ihr Eckhard Freundlich vom Anlaß der heftigen Belustigung berichtete. Mit ihr lachten die Frau des Professors und deren gleichermaßen sonnengebräunte Töchter. Wir lächelten distanziert, als wir sahen, daß nun auch Hoftaller lachte. So viel Heiterkeit. Doch bald sollte allen das Lachen vergehen.
19 Allein im Boot
Eigentlich hätte so viel gute Laune den Abschied von der Insel, bis alle an Bord waren, begleiten müssen, denn eigentlich hätten alle Inselgäste das Motorschiff vorbei an Vitte, Neuendorf nach Stralsund nehmen können, wie wir und die Freundlichs es taten; doch als die »Insel Hiddensee« anlegte und mit Signalton alle an Bord rief, teilte Hoftaller die am Bollwerk versammelte Gesellschaft, indem er für die Wuttkes und sich Tickets vorwies, die für das nächste, eine halbe Stunde später ablegende Schiff nach Schaprode auf Rügen bestimmt waren: »Muß unserem Freund unbedingt ne kleine Überraschung bereiten. Wäre schade, wenn das Ihre Pläne stören
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