Ein weites Feld
in Buchform hergegeben hatten, zudem ausgewählte Schriften zur Kunst-und Kunstgeschichte sowie Buchbesprechungen – verstaubte Zeugnisse lebenslanger Mühe, zu denen das Archiv kommentierend beitragen durfte. Wenn es eben noch hieß, der Tisch habe Fensterlicht gehabt, muß jetzt nachgetragen werden, daß Fonty diese Neuanschaffung, ein nüchternes Möbel, mit Hoftallers Hilfe lange hin und her gerückt hat. Mal sollte der Schreibtisch unter der Pinnwand stehen, dann wieder wollte Fonty hinter der quergestellten Platte mit Blick zur Tür sitzen. Zwei Möbelrücker bei der Arbeit. Ein Schreibtisch, der seinen Platz suchte. Schließlich kamen Fonty und der Tisch vorm Fenster zur Ruhe.
Wir haben ihn nie dort besucht, wissen aber dennoch: Er saß mit Ausblick; und er hatte die Tür sowie links neben der Tür ein aus den dreißiger Jahren stammendes Waschbecken im Rücken. Auf Wunsch war es Hoftaller gelungen, den modernen Bürodrehstuhl gegen ein den Thonetstühlen ähnliches Möbel mit geschwungenen Armlehnen aus Bugholz auszutauschen. Was den Stuhl betrifft, saß Fonty wie in seiner Studierstube in der Kollwitzstraße. Kein Bilderschmuck an den Wänden, aber auf der Schreibtischplatte war in Stellrahmen die Familie abgebildet: Emmi, Martha, die drei Söhne und, in Paßbildgröße, die Enkeltochter. Friedel und Teddy betreffend, hatten Photos aus der Jugendzeit aushelfen müssen: beide Jungs kurz vorm Mauerbau, Friedel in Pionierkluft. In Georgs Nachlaß hatte sich eine Aufnahme gefunden, die ihn in Zivil zeigte; diesem Photo war ein Trauerband angesteckt. Madeleines Gesicht wurde von einem biedermeierlichen Oval eingezwängt. Emmi und Martha schauten, die eine leidend, die andere mürrisch drein. Kein Photo des Unsterblichen fand Platz, wohl aber stand ungerahmt eine Ansichtspostkarte, die unter Parkbäumen das Neuruppiner Bronzedenkmal zum Motiv hatte, gegen einen Hohlbaustein gelehnt, der dem Stein auf dem Schreibtisch in der Studierstube glich. Wie zu Hause steckten auch hier Schreibutensilien in den Lüftungslöchern des Bausteins, unter ihnen zwei Schwanenfedern und ein halbes Dutzend Bleistifte der Marke Faber-Castell. Und die Briefwaage aus gelbem Messing hatte umziehen dürfen. Fonty begann Blatt nach Blatt zu füllen. Erste Notizen zu einer Auftragsarbeit, die er uns gegenüber abfällig »Reklameschrift« nannte. Hoftaller drängte nicht, doch stand er ab und zu nach leisem Anklopfen auf der Türschwelle. Er blieb nur kurz. Da man vergessen hatte, einen Apparat in das Dienstzimmer zu stellen, schrillte kein Telephon. Wenn Fonty seine Notizen zum Exposé unterbrach, dann nur, um die Weihnachtspost zu erledigen. Beim Briefeschreiben ging er vom Bleistift zur Stahlfeder und manchmal zum Schwanenkiel über.
Nach den Festtagen, die trotz Fernsehen einigermaßen verliefen, schrieb er während der stillen Tage vor Silvester, als selbst bei der Treuhand nur gedämpfter Betrieb herrschte, abermals an Freundlich, dem er »bessere Stimmung anzuputzen« versuchte, dann einen Metebrief, in dem er für überreiche Geschenke, »besonders für den orientalischen Morgenrock« dankte, und schließlich aus bester Brieflaune an Madeleine: »Wie hintersinnig und fürsorglich zugleich, mir eine original Baskenmütze zu verpassen; steht mir nicht schlecht zu Gesicht, bleibe aber auf Hüte abonniert. Ach, könnte ich doch meiner zartbittren Person so klarflüssig auf französisch Paroli bieten, wie diese mir jüngst in lebhaftestem Deutsch Bescheid gestoßen hat: Ich dürfe bei naßkaltem Wetter nicht mit offenem Mantel und baumelndem Shawl durch den Tiergarten und über den windigen Alexanderplatz laufen; ich solle Großmama nicht mit aufschneiderischen Gasconnaden in die Irre leiten; der Großvater möge sich vor dem beflissenen Herrn an seiner Seite hüten, hiermit sei grand-père gebeten, die in der Golfregion drohende Kriegsgefahr nicht ins Apokalyptische zu steigern, wenngleich man das Ultimatum nicht unterschätzen dürfe … Und weitere Anmahnungen. Versprochen, mein Kind! Wenn nicht nachträglich auf Weihnachten, dann wird zum neuen Jahr Besserung gelobt. Das Mantel und Shawl betreffende Gebot ist bei der scharfen, wenn auch schneearmen Kälte (sogar versuchsweise mit Baskenmütze) leicht zu beherzigen. Daheim herrscht, seitdem ich trotz meiner sieben mal zehn Jahresringe -demnächst plus eins gutbesoldet in Lohn und Brot stehe, liebreizender Burgfriede, zumal ich meine Grimassen nicht mehr zu Hause schneiden muß; erst
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