Ein weites Feld
Versen gehuldigt hatte, ausgeschlossen.
Fonty gehörte nicht dazu. Alle Gedichte zu Ehren preußischer Haudegen, ob Seydlitz oder Derffling, selbst die gedruckte Tatsache, daß der alte Stechlin immer nur schwarzweiß geflaggt hatte, verhalfen ihm nicht zum Eintritt; und hätte er seine Bülows, Poggenpuhls, Rex und Czako, Botho von Rienäcker, Vitzewitz und Briest, sogar des Kaisers Günstling, von Innstetten, zur Seite gehabt, wäre all diese Liebesmüh um Preußen -drei Kriegsbücher schwer – vergeblich gewesen; nichts hätte ihn zum Ehrengast in vorderster Reihe gemacht. »Was soll das Ganze!« rief er. Und: »Was hat die Demokratie und deren regierende Masse hier zu suchen?« Nicht ohne Anflug von Bitterkeit verzichtete Fonty aufs Schlangestehen; und gleichfalls war Madeleine enttäuscht: »In Frankreich hätte man aus dem spektakulären funébre einen Staatsakt mit großer Parade gemacht, wie bei Napoleon, als er von Saint Helena heimgeführt wurde.« Hoftaller schwieg. Erst als Nieselregen einsetzte, sagte er: »Ne kleine Panne. Hab leider, weil wir verspätet waren, den Schirm im Auto gelassen. Sollten uns, bevor wir völlig durch sind, unter Bäume stellen.« An denen fehlte es nicht im Schloßpark. Schließlich fanden sie sogar einen säulengestützten Pavillon und in ihm eine steinerne Bank. Im menschenleeren Park wusch der Regen Staub von Blätterdächern. Sie saßen wie aus der Geschichte gefallen. Und als Hoftaller seine Aktentasche öffnete und mit Milchkaffee aus der Thermosflasche und Mettwurstbroten aus der Blechdose zum Imbiß einlud, gaben sie zu dritt ein ziviles Bild ab, so höfisch und nahe dem Rokoko der Pavillon ihnen Schutz bot. Fern dem königlichen Gebein bestimmte Fonty den Ton, das heißt, er plauderte rückgewendet und führte Madeleine und seinen Tagundnachtschatten außer Dienst durch andere Schloßgärten, wobei er sich von Hoftaller nicht irritieren ließ, der den Auftrag der Treuhand, kauflustige Herren durch Brandenburgs Schlösser zu führen, in Erinnerung brachte. Nein, nicht Investoren wollte er animieren, vielmehr war Fonty ausschweifend im Jagdschloß Dreilinden zu Besuch, hatte das Marwitzschloß Fredersdorf, natürlich Schloß Kossenblatt, die Schlösser Oranienburg und Köpenick im Programm, kam schließlich in Rheinsberg an, war hiermit beim jungen Kronprinzen und – rasch zurückgeblättert -zuerst im düsteren Küstriner Schloß, in dessen Hof Friedrich des Freundes Haupt fallen sah, und besuchte gleich darauf den Flecken Wust, wo sich immer noch Kattes Gruft befindet und zwischen gestapelten Särgen der Sarg des Enthaupteten steht.
Und wie sie zu dritt bei Milchkaffee und Mettwurststullen auf einer Steinbank vor mal sachtem, dann pladderndem Regen geschützt saßen und um den Pavillon mit allen Bäumen des Königs Park stand, begann Fonty, die Geschichte vom harten Vater und weichlichen Sohn als Tragödie auszubreiten: »Doch ist deren eigentlicher Mittelpunkt nicht Friedrich, sondern Katte. Er ist der Held, und er bezahlt die Schuld …«
Das Archiv hatte sich geweigert, der königlichen Knochen wegen zu schließen. Diese leichenfleddernde Fernsehproduktion konnte nicht unsere Feier sein. Nichts ist so überflüssig und zugleich verwerflich wie ein abermaliger »Tag von Potsdam«, hieß unsere Devise. Wir gingen alltäglichem Kleinkram nach. Still, so einladend still war es bei uns, daß wir uns gefragt haben: Wo, wenn nicht im Archiv, hätten sie bessere Zuflucht vor Dauerregen und dem Auftrieb der Massen finden können? Madeleine wäre froh gewesen, die Manuskripte zu Wust und Küstrin einsehen zu können. Selbst Hoftaller hätte sich für diesen Fall von Landesverrat und Fluchtversuch interessieren müssen, besonders für die Abänderung des militärgerichtlichen Urteils von »ewigem VestungsArrest« in des Königs Spruch, »er solle mit dem Schwert vom Leben zum Tode gebracht werden«. Schließlich hat der erste Friedrich Wilhelm im Fall Katte befunden: »Es wäre besser, daß er stürbe, als daß die Justiz aus der Welt käme.« So rechtlich dachte Majestät. Sogar sein Schullatein hat der König bemüht. »… habe das Sprichwort gelernet: Fiat justitia et pereat mundus!«, was laut Büchmanns Sammlung von Sprichwörtern bedeutet: »Das Recht muß seinen Gang haben, und sollte die Welt darüber zugrunde gehen.« Wäre das nicht einleuchtend für Hoftaller gewesen? Er hätte, aus Gründen der Staatsräson, zustimmen können; denn daß der Kronprinz vom
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