Ein weites Land – Miteinander (Geschichten aus der Ferne) (German Edition)
schon lange nicht mehr. „Was ist denn los?“ Die Worte waren undeutlich, aber verständlich, was ein großer Fortschritt war.
„Nichts“, sagte er abwehrend, da er nicht wollte, dass sich sein Vater Sorgen machte.
„Wenn du verärgert bist, läufst du immer auf und ab.“ Sein Vater hustete und räusperte sich. Dakota hielt das Glas und den Strohhalm für ihn, damit er einen Schluck trinken konnte. „Was ist los?“ Sein ganzes Leben lang war sein Vater der einzige Mensch gewesen, mit dem er immer reden konnte, und Dakota wollte sich ihm auch jetzt anvertrauen – er war sich einfach nur nicht sicher. „Rede mit mir, mein Sohn.“
Dakota starrte seinen Vater an. Dann ließ er sich in einem Stuhl nieder. „Da gibt es etwas, das ich dir schon vor langer Zeit hätte sagen sollen.“
Dann wusste er nicht mehr weiter und blickte zu Boden. Eine leichte Berührung an der Schulter brachte seine Aufmerksamkeit wieder zurück zu seinem Vater.
„Versuchst du mir hier gerade zu sagen, dass du nicht an Mädchen interessiert bist? Das weiß ich doch schon längst.“ Sein Vater wandte sich ihm zu und Dakota musste schlucken, weil er plötzlich so einen Kloß im Hals hatte.
„Woher weißt du das?“ Dakota hob den Blick und sah seinen Vater an.
„Ich kenne meinen Sohn. Und ich bin zwar an dieses Bett gefesselt, aber ich bin nicht blind.“ Seine Sprache wurde wieder undeutlicher, doch Dakota verstand ihn perfekt. „Du weißt, dass ich dich immer lieben werde.“ Dakota nahm die Hand seines Vaters. Er wünschte sich nichts sehnlicher, als noch einmal von ihm umarmt zu werden, noch einmal von diesen Armen gehalten und getröstet zu werden, wie damals, als er noch ein Kind gewesen war. Doch das war nicht möglich. Dakota konnte seinen Vater umarmen, doch sein Vater konnte seine Arme kaum bewegen, geschweige denn heben.
„Ich weiß, Dad.“ Dakota kam sich dumm vor, dass er es ihm nicht schon viel früher gesagt hatte. Er hätte wissen müssen, dass sein Vater Verständnis für ihn haben würde. Himmel, sein Vater hatte doch auch Verständnis für ihn gehabt, als Dakota ihm eröffnet hatte, dass er Medizin studieren wollte, statt die Ranch zu übernehmen. Sie hatten sogar geplant, die Ranch zu verkaufen, wenn es soweit war und sein Vater hatte es verstanden. Vielleicht wurde am Ende ja doch alles gut.
„Also, wo liegt dann das Problem?“ Während der letzten Jahre hatte Dakota sich oft gefragt, ob noch etwas von dem Mann, als den er seinen Vater einst gekannt hatte, in diesem verfallenen Körper steckte – und dann stellte er eine einfache Frage oder machte eine kleine Geste, und Dakota wusste, sein Vater war noch da, ganz gleich wie. „Hat es was mit diesem jungen Mann, Wally, zu tun?“
Dakota nickte. „Ich hab’ ihn erwischt, wie er ein paar Minuten nach Phillip aus dem alten Schuppen hinter dem Haus geschlichen kam. Es ist ja wohl ziemlich offensichtlich, was die beiden dort miteinander getrieben haben.“ Dakota spürte wie der Schmerz wieder in ihm aufwallte. Er hatte gedacht, Wally hätte Gefühle für ihn. Auf jeden Fall war er gerade dabei, Gefühle für den kleinen Hitzkopf zu entwickeln.
„Nein, das ist es nicht.“ Dakota sah das leichte Funkeln in den Augen seines Vaters. „Schon als Kind hast du immer voreilige Schlüsse gezogen und das tust du jetzt auch. Hast du ihn gefragt, was er dort wollte?“ Dakota schüttelte den Kopf. „Ich habe doch gesehen wie der Junge dich angesehen hat, während wir neulich den Männern beim Üben zugeschaut haben.“ Seine Stimme wurde immer rauer. Dakota bedeutete ihm, sich auszuruhen, doch davon wollte er nichts wissen. „Er empfindet etwas für dich und ich weiß, dass du ihn magst.“
„Wie kommt es nur, dass du so gar kein Problem mit all dem hast?“ Dakota konnte es kaum glauben, dass er mit seinem Vater über seine Gefühle für Wally redete. Er konnte sich diese Gefühle ja selbst kaum eingestehen.
„Du bist mein Sohn.“ Damit schien für ihn alles gesagt zu sein. „Als deine Mutter und ich frisch verheiratet waren, haben wir uns gezankt, dass die Fetzen flogen, bis wir gemerkt haben, dass wir miteinander reden müssen. Nachdem wir das erst mal begriffen hatten, konnten wir mit allem fertig werden.“ Er fing an zu husten und Dakota griff wieder nach dem Wasserglas, doch sein Vater winkte ab. „Du warst so lange allein, doch ich will, dass du glücklich wirst. Ob mit einer Frau oder einem Mann, das spielt keine Rolle, solange du nur
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