Ein wilder und einsamer Ort
Rum ist das Getränk der
Karibik.«
»Aber hier sind wir auf den
niederländischen Antillen.«
»Verstehe.« Ich mußte an die Geschichte
des Taxifahrers über den Franzosen und den Holländer denken. Der Gin war warm
und scharf; ich stellte das Glas rasch ab.
Cam lächelte über meine Grimasse; sein
Blick wanderte zur Tür. Zeff Lash war soeben hereingekommen; er nickte uns zu,
und sein hageres Gesicht verzog sich zu einem breiten Grinsen, als er seinen
wartenden Drink erspähte. Er nahm ihn, kippte ihn hinunter und streckte Cam das
Glas hin. Cam ging zu der Luke, um es wieder auffüllen zu lassen.
Lash setzte sich und musterte mich von
oben bis unten. »Sie sind Schlüssellochspanner?«
»Bitte?«
»Sie sind Detektiv, wie die im
Fernsehen.«
»Oh — ja, ich bin Privatermittlerin...«
»Connors sagt, Sie wollen mich was
fragen wegen Jumbie Cay. Geht um ein Mädel, was sie entführt haben, und jetzt
haben sie’s da hingebracht.«
»Ja. Die Kleine ist erst neun. Die
Mutter wurde getötet, als sie das Mädchen verschleppt haben.«
Er guckte grimmig. »Ich hab selber
Töchter. Wenn sich einer an denen vergreifen würde...«
Connors kam mit dem Drink zurück und
setzte sich an Lashs andere Seite. Er fragte: »Wie sieht’s aus, Mon’i Kannst du der Lady helfen?«
Lash fuhr sich mit der Zunge über die
Lippen. »Weiß nicht. Die Leute da draußen, die sind nicht von Pappe — fackeln
nicht lang rum.«
»Denk an das, was ich dir vorhin gesagt
habe.« In Connors Stimme lag ein warnender Unterton.
»Yeah, Mon, okay.« Lash wandte sich wieder mir zu.
»Ich fang ganz von vorn an, okay? Also, Jumbie Cay war lange britisch, aber in
Wirklichkeit hat es den Altagracias gehört. Ich schätz mal, die kennen Sie
nicht, oder?«
Ich schüttelte den Kopf.
»Ist auch egal. Zebediah, der ist der
letzte von denen da draußen. Regina, sein ältestes Mädel, die wohnt hier im
Princes Quarter, hält Ziegen auf einer kleinen Farm. Den Alten, den haßt sie,
will nichts mit ihm zu schaffen haben, und die ändern, die sind alle in den
Staaten, denken, da fliegen ihnen die Brathühner nur so in den Mund, aber einen
Dreck wissen die. Na ja, was ich sagen will, vor fünfundzwanzig Jahren oder so,
da kriegt der alte Zeb auf einmal einen Rappel und legt sich mit den Briten an.
Ich hab keine Ahnung, was ihn gepackt hat, aber er hat einfach die Schnauze
voll gehabt. Also geht er hin und reißt sich eine Seite aus eurem
Geschichtsbuch raus und erklärt die Unabhängigkeit. Und was passiert? Den
Briten ist es grad scheißegal. Die Insel hat nämlich kein frisches Wasser,
nicht mal Unkraut kommt dort richtig hoch. Was sollen die Briten schon damit
wollen?
Okay, die Wochen gehen rum, die Monate
gehen rum. Und eines Tages kriegt Zeb auf einmal einen Brief vom
Premierminister in St. Kitts-Nevis — dem Regierungssitz für diese Inseln. Und
da drin steht: ›Wenn wir Sie recht verstehen, sind Sie mit Ihrem
Kolonial-Status nicht zufrieden.‹ Und der alte Zeb schreibt zurück: ›Sie
verstehen mich verdammt richtig. Ich will meine Unabhängigkeit.« Und die Briten
sagen: ›Okay, viel Glück.« Und da sitzt der alte Zeb, und keiner will mit ihm
kämpfen. Ich weiß nicht, was ihn mehr gefuchst hat — wie er noch den Briten
gehört hat oder wie sie ihn einfach so haben gehen lassen.« Lash lachte und
klatschte mit der Hand auf den Tisch. Er trank sein Glas aus und sah Cam
erwartungsvoll an.
Cam ging abermals Nachschub holen.
»Okay«, fuhr Lash fort, »ab da ist
nicht mehr viel passiert. Zebs Kinder werden groß und gehen fort, die Frau
stirbt ihm weg. Die Insel geht nach und nach zum Teufel, weil keine Briten mehr
da sind, die die Straßen reparieren und so was. Und Zeb, der ist immer schon
ein Spieler gewesen, aber so vor acht, neun Jahren, da ist er aufs Wetten
gekommen, über so eine kostenlose Telefonnummer. Wissen Sie, was ich meine?«
»Ja.«
»Na ja, also, Zeb, der steigt da groß
ein, und eh er sich’s versieht, hat er einen Haufen Schulden. Aber er denkt,
auf seiner Insel können sie ihm nichts. Und dann taucht plötzlich dieser Typ
aus den Staaten auf und sagt, er soll blechen, oder es passiert was, aber Zeb
kann nicht blechen.«
»Dieser Typ, war das Speed — Klaus
Schechtmann?«
»Yeah, genau der. Okay, also, Zeb, der
handelt einen Deal mit ihm aus. Er verkauft ihm Jumbie Cay, und Schechtmann
läßt ihm sein Haus und bißchen Land.«
»Was wollte Schechtmann denn mit der
Insel?« Ich war mir ziemlich sicher, daß meine
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