Ein wildes Herz
dagegen und sagte, seine Methode sei immer gut genug gewesen, doch als Charlie darauf bestand, gab er nach, Charlie senkte die Temperatur im Kühlraum um ein paar Grad und dafür ließen sie das Fleisch zehn Tage mehr abhängen, bis es gute zwei Wochen waren, bevor
es über den Ladentisch ging. Doch all ihre Kundinnen, ob schwarz oder weiß, lobten das Fleisch über den grünen Klee, selbst Boaty meinte, es sei wundervoll, und so ein gutes Rindfleisch hätten sie noch nie gegessen.
Charlie prahlte nicht mit diesem kleinen Sieg, denn das war nicht seine Art; aber man sah ihm an, dass er zufrieden war, obwohl sich Will mit keinem Wort bei ihm bedankte.
Seit Neuestem kam Sylvan Glass in die Metzgerei, ganz allein, nachdem ihr Mann bereits dagewesen war, seine Zoten vom Stapel gelassen hatte und dann weiter nach Staunton gefahren war. Sie kaufte Dinge, von denen alle wussten, dass sie sie weder brauchte noch wollte. Manchmal bestellte sie fast genau das Gleiche wie Boaty, und was sie mit all dem Fleisch veranstaltete, konnte sich keiner vorstellen, denn zwei Leute, selbst wenn einer von ihnen Boaty Glass war, waren unmöglich in der Lage, so viel Fleisch zu essen.
Bei einem ihrer Besuche nahm Charlie das Päckchen mit Steaks und Koteletts und Braten und folgte ihr wortlos hinaus zu ihrem Wagen. Sie schien seine Hilfe nicht nur zu akzeptieren, sondern sogar zu erwarten.
Als sie auf der Fahrerseite ihres schicken Wagens einstieg, öffnete Charlie die andere Tür und legte die Päckchen behutsam auf den Beifahrersitz. »Wissen Sie, Mrs. Glass«, sagte er, ohne zu wissen, wo er die Worte oder den Mut hernahm, dies zu sagen, es war ihm einfach schlicht und ergreifend ein Bedürfnis, »wenn Sie nicht verheiratet wären, würde ich Ihnen mit Sicherheit den Hof machen. Passen Sie jetzt also auf, okay?« Er lächelte sie an, so offen und ehrlich und bis über beide Ohren verschossen wie ein Junge.
Sylvan Glass, Mrs. Harrison Glass, wandte sich ihm zu und schaute ihn an, die Hand am Zündschlüssel. Sie ließ den Motor an, und kaum hatte sein teures Schnurren eingesetzt,
sagte sie, gerade laut genug, dass man es über dem Motorgeräusch hören konnte: »Mr. Beale, ich weiß beim besten Willen nicht, was das für einen Unterschied machen soll, ob ich verheiratet bin oder nicht. Und außerdem«, fuhr sie fort, »gehe ich mit meinem Herzen sehr sorgfältig und vorsichtig um. Sie bitte auch.« Sie legte den ersten Gang ein.
Und dann waren sie ganz still, schauten sich an, nicht lange genug, dass es Gerede geben würde, aber lange genug, um dem anderen das zu sagen, was es zu sagen gab, und zu einer Übereinkunft zu kommen.
»Passen Sie auf sich auf«, sagte er, machte die Tür zu und der Wagen fuhr los. Und als sie bereits an ihm vorbei war und unmöglich noch von ihm gehört werden konnte, fügte er noch hinzu, während ihm das Blut heiß in den Kopf stieg: »Bis bald.«
Bei einer seiner Touren zum Landkaufen hörte er, die Familie Potter in Collierstown produziere das beste Rindfleisch in der Gegend, und so begann er das Fleisch für die Metzgerei dort zu kaufen, obwohl es damals fast eine Stunde Fahrt bis dorthin war. Die Potters schlachteten anders als die meisten Farmer der Gegend. Niemals erschossen sie ein Rind vor den Augen der übrigen Herde. Stattdessen führten sie das Tier ganz sanft auf eine andere Weide, wobei sie sich seinem Tempo anpassten und es nie antrieben, und dort schossen sie ihm dann einmal in den Kopf, aus nächster Nähe, und schlitzten ihm mit einem schnellen, sauberen Schnitt die Kehle auf, während das Herz immer noch schlug, sodass die Kuh nie in Panik geriet, sondern praktisch ausgeblutet war, wenn sie zu Boden sank, und all die chemischen Stoffe, die das Fleisch bei anderen Schlachtmethoden oft nach Angst und Tod schmecken ließen, gar nicht erst in die Blutbahn gerieten.
Allerdings ließ Charlie Mr. Potter das Schlachtfleisch nicht selbst tranchieren. Stets fuhr er es zum Schlachthaus und zerlegte das Tier dort mit eigener Hand. Seine Messer hatte er mittwochs immer dabei.
Am 3. November 1948, einem Mittwoch, machten sich Charlie und Sam auf den Weg ins Schlachthaus, so wie jede Woche. Sam zählte noch immer die Namen der Bewohner aller Häuser auf und benannte jeden Hund in jedem Garten. Als sie an Boatys Haus vorbeikamen, stand sie wieder da, und Charlie bremste nicht nur ab, sondern hielt mit dem Pick-up an, draußen vor dem geschlossenen Tor, und schaute zu der Frau empor, die auf der
Weitere Kostenlose Bücher