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Ein wildes Herz

Ein wildes Herz

Titel: Ein wildes Herz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Goolrick
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übel.«
    »Doch wir können Ihnen nicht geben, was Sie brauchen. Und ich möchte Ihnen erklären, warum nicht.«
    »Das brauchen Sie nicht.«
    »Aber ich möchte es. Ich möchte, dass Sie wissen, dass wir Ihnen nicht unfreundlich gesinnt sind. Das wollen, nein, das müssen wir Ihnen sagen. Tatsache ist, wir sind sogar dankbar. Was Sie getan haben, dass Sie zu uns gekommen sind,
war sowohl ein Akt der Kühnheit als auch der menschlichen Güte. Aber Sie stammen nicht aus der Gegend, und es gibt Dinge, die Sie einfach nicht verstehen, nicht verstehen können.«
    Charlie sagte nichts. Er rief nur den Hund zu sich und saß da, mit Jackie Robinson zu seinen Füßen, und wartete. Sein Herz schlug so laut wie Donner. Er konnte nicht sagen, warum. Es war so, wie wenn man für ein Vergehen, an das man sich gar nicht erinnern kann, in das Büro des Direktors zitiert wird.
    »Wir stehen unter Beobachtung, Mister Beale. Jedes Mal, wenn wir den Fuß vor die Tür setzen, schaut jemand, was wir machen. Wir sind die Leute, die auf der ganzen Erde am genauesten beobachtet werden. Auf Schritt und Tritt müssen wir auf der Hut sein. Wenn wir nur einmal vom Wege abkommen, selbst eines unserer Kinder, könnte das das Ende unserer Welt bedeuten. Und ich meine das nicht im übertragenen Sinne. Es ist einfach eine Tatsache.
    Diese Leute, meine Leute, bekommen nur die Ausbildung, für die sie selbst sorgen können. Nicht eine unserer Familien besitzt das Haus, in dem sie wohnt, oder wird es je besitzen. Die meisten der Häuser gehören entweder Mr. Glass oder den beiden Zwillingsschwestern, die Sie so gerne mögen.
    Aber wir geben nicht auf, versuchen das Beste draus zu machen. Weil uns gar nichts anderes übrig bleibt. Nur glauben können wir, Mister Beale, nur Gott dienen in einem heruntergekommenen Gotteshaus hinter einer Ladenfront, für das wir Miete zahlen und wo wir in Frieden unsere Gottesdienste abhalten können, weil wir wissen, dass sonst niemand in der Stadt auch nur einen Fuß dort hineinsetzen würde. Nicht einmal Mister Glass, dem das Haus gehört. Nicht einmal er, solange er jeden Monat seine Miete
bekommt. Und die bekommt er. Jeder Blick der Stadt ist auf uns gerichtet, selbst wenn wir schlafen.
    Und wir können es nicht ertragen. Wir lassen es uns nicht anmerken, nie, aber es ist schrecklich und unerträglich. Es bereitet uns Magengrimmen. Denn das eine, was wir nicht tun können, ganz gleich, wie genau man uns beobachtet, das Einzige, was wir nicht tun können, ist zurückschauen. Verstehen Sie, was ich sage, Mister Beale?«
    »Sie müssen nicht mehr sagen, Mister Shadwell. Ich komme nicht wieder.«
    »Es tut mir so …«
    »Nein, nein, das braucht es nicht. Sagen Sie den Leuten in der Gemeinde Danke dafür, dass Sie mich teilhaben ließen. Es hat mir viel bedeutet.«
    »Das hoffe ich, Mr. Beale. Das hoffe ich.«
    »Sagen Sie es ihnen. Sagen Sie ihnen, dass ich es ihnen nicht vergessen werde.«
    Und dann stand Shadwell, der Lewis Tobias Shadwell, wie er später bekannt wurde, auf, die beiden Männer gaben sich die Hand, und er ging und ließ Charlie in seinem kühler werdenden Haus allein, ein Mann mit einem ruhigen Hund und ohne Glauben.
    Ohne Glauben außer Sylvan Glass.
    Als er in jener Nacht im Bett lag, zeichnete er eine Skizze von ihr in sein Tagebuch. Ein Künstler war er nicht, doch er versuchte, ihr Gesicht und ihre Züge so zu Papier zu bringen, wie er sie in Erinnerung hatte. Damit er sie anschauen konnte, wenn kein Mittwoch war. Damit er sie immer bei sich haben würde, sein ganzes Leben lang, bis er sehr, sehr alt sein würde.
    Und um ihren Kopf herum zeichnete er einen Heiligenschein und malte ihn mit Gold aus.

16. KAPITEL

    E s wurde zu kalt. Sam konnte nicht mehr draußen im Pick-up warten.
    Und so kam es, dass Charlie am dritten Mittwoch, als sie in die Auffahrt einbogen und hinter dem Haus, außer Sicht, parkten, um den Wagen herumging und Sam aus dem Pick-up half. Jackie Robinson blieb im Führerhaus. Sie gingen zum Haus hinüber, und die Tür ging auf, kaum hatten sie die Veranda erreicht. Einen Moment lang schien sich Sam unbehaglich zu fühlen. Er blickte schüchtern zu Mrs. Glass empor, unsicher, ein Haus zu betreten, das er nicht kannte.
    Dieses Mal war sie wie zum Ausgehen angezogen. Hochhackige Schuhe, ein marineblaues Kleid mit einer roten Rose am Revers, das Haar zu einer unglaublichen Fülle an Löckchen und Locken aufgetürmt, eine Frisur wie vom Cover eines Magazins. Leuchtend rote Lippen.

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