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Ein wildes Herz

Ein wildes Herz

Titel: Ein wildes Herz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Goolrick
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rasch weg und ließen alles auf dem Tisch liegen, damit Sylvan es später aufräumte.
    Manchmal, wenn es schnell ging, kam Charlie herunter, setzte sich mit Sam auf dem Schoß an den Tisch und las ihm von Donald Duck oder Captain America vor. Er kitzelte Sam, wenn sie zu den lustigen Stellen kamen, damit Sam wusste, dass es lustig wurde und er laut hinauslachen konnte.
    Bei Captain America spürte Sam, wie Charlies tiefe Stimme an seinem kleinen, schmalen Rücken vibrierte, und dieses Kribbeln ließ ihn erahnen, welche Abenteuer der Held mit dem Cape gerade erlebte, wie nah die Gefahr war und wie groß der Triumph über das Böse. Mrs. Glass saß auf dem anderen Stuhl, rauchte und las ihre Zeitschriften, und ab und zu lachte sie auch, während Charlie Sam vorlas.

    Sam hoffte, sie wusste nicht, dass er gerade die Frau auf der Vorderseite der Zeitschrift geküsst hatte, die sie so beiläufig in der Hand hielt. Was, wenn sie es wüssten? Wenn sie wie durch Zauber durch den Boden da oben hindurchschauen konnten, wenn es still war, und ihn sahen, wie er diese Zeitschriften küsste? Das machte ihm Angst. Aber sie ließen sich nie etwas anmerken, sondern taten einfach nur so, als wüssten sie gar nichts, und das hoffte Sam auch.
    »Was möchtest du zum Geburtstag, Sylvan?« Charlies Stimme wurde immer ganz weich und zärtlich, wenn er mit ihr sprach. An Sams Rücken fühlte sich das an wie das Schnurren einer Katze.
    »Nichts, was du mir schenken könntest, schätze ich. Er würde es merken. Vor ihm kannst du nichts verbergen. Er hat eine Geliebte, jeder weiß das, doppelt so alt wie ich, oben in Staunton. Charlotte irgendwas. Schätze, ihr schenkt er Sachen. Schöne Sachen. Einen Pelzmantel vielleicht. Ein Haus. Manchmal kommt er vor zehn nicht nach Hause. Und manchmal überhaupt nicht. Ein paar Mal hat er gesagt, er fährt nach Washington. Wohnt im Hotel. Ich könnte wetten, da nimmt er sie mit. Und dass sie sich amüsieren. Aber wenn’s nach mir geht, kann sie ihn haben.«
    Ihre Stimme klang wehmütig, mädchenhaft, wenn sie das sagte. »Nein, ich hatte nie etwas. Überhaupt nichts, was mir ganz allein gehört hat.«
    »Ich werde mir was ausdenken.«
    »Du musst mir nichts schenken. Du gibst mir genug.«
    »Was gebe ich dir denn?«
    »Das muss ich dir wohl nicht sagen.«
    Sie gewöhnten sich so sehr an Sam, dass sie oft redeten, als wäre der Junge gar nicht da, als wäre Sam nichts anderes als ein stummes, schweigsames Haustier wie Jackie Robinson.
Er nannte sie Baby oder Kleines, und sie nannte ihn Darling, auf eine seltsam schleppende Weise.
    Eines Morgens im Spätwinter kam Boaty in den Laden und erzählte Will, er fahre übers Wochenende mit ein paar Kumpels nach Nags Head, zum Blaufische Angeln und Trinken, und Charlie blickte kurz auf und packte am Abend sorgfältig etwas Fleisch ein, Koteletts, Steaks und Hamburger.
    »Das ist eine Menge Fleisch«, sagte Will leise, mit der Stimme, die er benutzte, um Sam zu sagen, er solle nicht zu nahe an den Herd herangehen.
    »Ich gehe dieses Wochenende zelten«, antwortete Charlie gelassen, »draußen an der Natural Bridge.« Noch vor Sonnenuntergang war er aus der Metzgerei und hatte alles aufgeräumt, sein Pick-up war bis Sonntagmorgen weg, und obwohl es kein großes Rätsel war, wo er sich aufhielt, machte sich Sam doch Sorgen um ihn und um Jackie. Er sah die Comics vor sich, die auf dem Küchentisch lagen, die Photos von ungeküssten Frauen in den Zeitschriften, und versuchte sich vorzustellen, wie Sylvan und Charlie ihre Zeit miteinander verbrachten.
    An jenem Sonntag fuhr Charlie noch vor Sonnenaufgang vor seinem Haus vor. Sam war der Einzige, der ihn heimkommen sah, und dann gingen Charlie und Jackie Robinson ins Haus, und er kam erst am späten Nachmittag wieder heraus. In einem sauberen weißen Hemd saß er auf der Veranda, ohne zu merken, wie kalt es war, und schrieb in seinem Tagebuch. Er schrieb unter ihren Namen: »Wenn sie pfeifen würde, ich würde kommen. Wenn sie mir ins Gesicht schlüge, ich würde ihr die andere Wange hinhalten. Für sie würde ich sterben. Für sie würde ich eine Ewigkeit in der Hölle schmoren.«

    Er sah aus wie ein Junge von achtzehn. Sein Herz raste wild wie das eines Mannes, der so verliebt ist, dass er Hals über Kopf ins Verderben stürzt.

18. KAPITEL

    E r kaufte ein Haus, ein weiteres Haus. Das hier lag noch hinter dem Schlachthaus, jenseits der Augen und Ohren der Stadt, ein altes Farmhaus inmitten eines dichten Hains aus

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