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Ein wildes Herz

Ein wildes Herz

Titel: Ein wildes Herz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Goolrick
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war  – der Glaube nämlich, dass auf der Welt nur eines von Dauer war, nämlich das Gute im Menschen  –, und jetzt war nichts mehr übrig, weder in ihm noch von ihm.
    Natürlich glaubte ihr niemand. Hinter verschlossenen Türen, wo damals über kaum etwas anderes gesprochen wurde, hieß es nur, es sei die größte Lüge, die man je gehört hatte, und wahrscheinlich habe Boaty sie weichgekocht, denn eigentlich sei sie gar kein schlechtes Mädchen, wie konnte sie auch, nachdem sie ihr Leben riskiert hatte, um den Jungen aus dem Fluss zu ziehen? Sie sei einfach nur ein schlichtes, naives Mädchen vom Lande, bei dem eine Sicherung durchgebrannt war, das mit dieser Claudie herumzog und sich einbildete, sein Leben sei ein Hollywoodfilm, den nur sie sich anschaute. Vielleicht war sie ja untreu gewesen, aber allgemein war man der Meinung, wenn eine Frau mit Boaty Glass verheiratet war, dann sei Untreue sicher nicht das schlimmste Vergehen auf der Welt.
    So redete man bis zu dem Sonntag, als sowohl bei den Baptisten als auch bei den Methodisten die Priester von der Kanzel ihr Urteil sprachen und den Leuten sagten, was sie davon zu halten hatten. »Er ist ein Gefangener der Sünde«, sagte der eine und zitierte die Heilige Schrift. »Er hat uns alle in den Schmutz gezogen«, sagte der andere.
    »Lasset dem Gesetz seinen Lauf, aber er wird in der Hölle schmoren«, sagten sie fast zur selben Zeit. »Er wird für immer dort brennen.«
    »Wer auch immer mit ihm zu tun hat, ob Mann oder Frau, wird mit ihm zur Hölle fahren. Lasst ihn nicht in eure Häuser und verbannt ihn aus euren Köpfen und Herzen. Niemand kann euch in den Schmutz ziehen, wenn ihr euch nicht in den Schmutz ziehen lasst.«

    »Und auch wenn ihr es heimlich tut und ihn in euer Haus oder eure Herzen lasst, wenn ihr ihm helft oder auch nur auf geringste Weise Trost spendet, dann wird der Zorn Gottes über euch kommen, und ihr werdet bis in alle Ewigkeit mitten unter den Schmutzigen, den Würdelosen und den Gemeinen leben.«
    Die beiden Priester sprachen so, als hätten sie sich abgesprochen, was sie denn nun ihren Schäflein verkünden sollten, und das war auch so, und die Schäflein glaubten ihren Hirten, auch wenn es ihnen das Herz brach, ihre Türen und Herzen vor Charlie Beale zu verschließen. Und doch taten sie genau das. Es waren fromme Leute, und sie hatten nicht vergessen, welche Pflichten sie gegenüber ihrem Glauben und ihren Pastoren hatten.
    Die Ehemänner sagten, Charlie Beale hätte nichts anderes getan als der Natur ihren Lauf zu lassen, und dass das Höllenfeuer gar nichts damit zu tun habe, doch ihre Frauen blieben eisern. Ihre Herzen, die doch immer weich gewesen waren, wenn es um Charlie ging, hatten sich verhärtet und waren bitter geworden, und ihre Angst war nicht mehr zu beherrschen. Der Aberglaube und die moralische Strenge ihrer Großmütter aus dem Gebirge floss noch immer durch ihre Adern, und jetzt pulsierte sie jeden Augenblick des Tages in ihren Herzen und ihren Köpfen.
    Einige der Männer gingen an der Tankstelle auf Charlie zu, als er Benzin in den Tank des Pick-ups füllte, mit dem er doch nirgendwo mehr hinfahren konnte. »Wir wissen nicht, wie wir es Ihnen sagen können«, begann einer von ihnen, ergriff Charlies Hand und schüttelte sie, doch es war mehr eine Geste des Abschieds als der Begrüßung.
    »Nicht nötig«, sagte Charlie. »Ich hab’s gehört. Sie wissen, wer ich bin. Sie wissen, wie es mir geht.«

    Und sie schüttelten ihm alle die Hand, und dann stand man eine Minute verlegen herum, bis Charlies Tank voll war, und man schaute überallhin, nur nicht in sein Gesicht, und dann war es vorüber. Charlie schraubte den Tankdeckel zu, stieg ins Führerhaus seines Pick-ups und fuhr langsam davon, winkte zum Abschied noch einmal aus dem offenen Fenster.
    Danach ließ er sie alle in Ruhe. Er bot ihnen nicht an, bei ihnen Blätter zu rechen oder ihre Dächer zu reparieren oder ihre Autos zu waschen, und er brachte ihren Kindern auch nicht das Autofahren bei oder zeigte ihnen Baseball-Tricks. Er liebte diese Leute. Er wollte sie nicht in Verlegenheit bringen. An die Hölle glaubte er nicht, doch er wollte auch nicht, dass sie dorthin kamen.
    »Irgendwie scheinen die dich nicht mehr besonders zu mögen«, sagte Ned eines Abends, als Charlie versuchte, es ihm zu erklären.
    »Das ist nicht der Punkt. Du verstehst das nicht. Sie müssen mich nicht mögen. Manchmal ist es einfach wichtig, sich daran zu erinnern, dass man

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