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Ein wildes Herz

Ein wildes Herz

Titel: Ein wildes Herz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Goolrick
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für andere Leute etwas empfinden kann, auch wenn sie umgekehrt für einen nichts empfinden.«
    »Kommt mir vor wie Zeitverschwendung«, sagte sein Bruder. »Und eine Welt voller gebrochener Herzen.«
    »Aber das ist sie doch sowieso, oder? Eine Welt voller gebrochener Herzen. Eine große, weite Welt.«
    Und so bewegte er sich von da an durch die Stadt, so wie er es früher getan hatte, als er gerade angekommen war: allein, ein Mann, über den man redete, den man anstarrte, aber mit dem man nicht sprach. Seine Zuneigung zu den Menschen in Brownsburg konnte er nur zeigen, indem er sie vollkommen in Ruhe ließ und umgekehrt von ihnen das gleiche Verhalten hinnahm.

    Einige Tage, nachdem die Priester ihr Machtwort gesprochen hatten, blieben die Frauen der Metzgerei fern, man aß Huhn aus dem eigenen Stall, bis die Männer begannen, sich zu beschweren und nach Steak fragten, und dann kamen sie zu Will zurück, doch es herrschte die stillschweigende Übereinkunft, dass Will sie bediente und man nur mit ihm kommunizierte, auch wenn Charlie immer noch derjenige war, von dem man erwartete, dass er das Fleisch tranchierte und abwog. Seine Aufmerksamkeit, die Tatsache, dass er immer ein wenig mehr einpackte, seine schicken Metzgerschleifen, mit denen er jedes Päckchen verzierte, als wäre es ein Geburtstagsgeschenk, wurden kommentarlos hingenommen, als gäbe es sie gar nicht. Man nahm ihn einfach nicht mehr wahr. Jetzt wusste er, wie sich die Schwarzen in der Stadt fühlten.
    Reverend Shadwell kam ihn besuchen. Er saß auf die gleiche steife, bemühte, makellose Weise bei ihm, aber er schien auch von einem Zorn erfüllt zu sein, der wie ein Windstoß die ruhige Oberfläche seines Gesichts zum Kräuseln brachte.
    »Wir kennen die Wahrheit«, sagte er.
    »Wer ist wir, und welche Wahrheit?«, fragte Charlie, der ebenso steif dasaß wie der Priester, und dieses Mal mit der gleichen unterschwelligen Verärgerung, die sich hinter seinem kühlen Auftreten verbarg.
    »Diese Frage könnte ich Ihnen auf verschiedene Weise beantworten, Mister Beale. Ich könnte sagen, wir wissen, dass die Frau lügt. Oder ich könnte sagen, dass die Stadt voller Heuchler ist. Oder ich könnte einfach nur sagen, dass die Welt von einer Gemeinheit des Geistes erfüllt ist, die in keiner Weise Gottes Liebe zu uns widerspiegelt.«
    »Die Welt ist, was sie ist.«

    »Vor einem Jahr habe ich Ihnen gesagt, dass sie bei uns am Sonntag nicht willkommen seien. Das war nicht richtig von mir, und ich entschuldige mich dafür. Jetzt wären Sie bei uns willkommen.«
    »Jetzt möchte ich nicht mehr. Aber danke.«
    »Möchten Sie jetzt mit mir beten? Knien und beten?«
    »Nein. Danke.«
    »Warum gehen Sie nicht von hier fort?«
    »Sie vergessen, dass es ein Gerichtsverfahren geben wird. Vielleicht komme ich ins Gefängnis, und man schickt mich für lange Zeit nach Harrisonburg in den Knast. Ziemlich lustig übrigens. Harrison. Burg. Ist mir gerade erst aufgefallen.«
    »Sie haben nichts verbrochen.«
    »Sie wissen so gut wie ich, dass viele Leute ins Gefängnis kommen, ohne etwas verbrochen zu haben.«
    »Man wird für Sie aussagen.«
    »Der Prozess ist in Lexington, das wissen Sie. Niemand dort kennt mich. Außerdem hat die einzige Person, die etwas zu sagen hätte, ihre Aussage bereits gemacht, und das ist nach allem, was bekannt ist, die Wahrheit. Die Menschen sind einfach zu allem fähig.«
    »Nicht Menschen wie Sie, Mister Beale.«
    »Sehr freundlich von Ihnen, dass Sie das sagen. Ich bin Ihnen wirklich dankbar.«
    Doch in Wahrheit wusste Charlie nicht genau, ob er nicht auch zu den anderen Menschen gehörte. Vielleicht stimmte es ja, was sie behauptete. Beim allerersten Mal hatte er sie genommen, weil er sie haben musste, weil ein Feuer in seinem Blut lichterloh brannte, und sie hatte zuerst nein gesagt, bevor sie ja sagte, und dann war sie geblieben, weil sie nirgendwo anders hinkonnte. Möglicherweise hatte es
wirklich gestimmt, damals, eine Zeit lang. Und vielleicht kommt man über manche Dinge einfach nicht hinweg, selbst wenn man später Gefallen an ihnen findet, ja sogar für sie lebt.
    Auch nach alldem, was geschehen war, war sie immer noch das Einzige in seinem Leben, was ihm wirklich etwas bedeutete. Noch immer würde er für sie sterben, und sterben würde er sonst für niemanden, ganz gleich, wie sehr er sein Herz berührte. Nicht einmal für den Jungen. Nicht einmal für seinen eigenen Bruder. Und so kam es, dass an der Stelle, wo das Objekt seiner

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