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Ein wildes Herz

Ein wildes Herz

Titel: Ein wildes Herz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Goolrick
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ihn. Eigentlich wusste sie gar nicht, wer er war oder was er mit ihr tun könnte, wenn sie wirklich die seine wäre.
    Denn wenn Boaty, dem Gefühle vollkommen fremd waren  – abgesehen von seinem ausgeprägten Gefühl für Besitz und das Recht, sich auf diesem Besitz zu bewegen und auf ihm zu leben  –, ihr das alles antun konnte, wozu war dann erst ein Mann fähig, der verliebt war?
    Charlie war ein Heiliger, sagten die Leute. Er hatte diesen Jungen ins Leben zurückgeholt. Die Leute sagten, er sei gesegnet. Selbst Claudie sagte das. Sie hatte eine Zeichnung von dem Moment angefertigt, als der Junge von den Toten auferstanden war, und das Bild hing an der Wand des Zimmers, in dem sie Sylvans Kleider nähte und in dem sie heilenden Balsam auf ihre Striemen strich, und Sylvan schaute es sich an und dachte: Wer ist dieser Mann? Was bedeutet er mir?
    Er war der Mann, der sagte: »Es tut mir so leid, Baby«, durch seine Tränen hindurch, der Mann, der vor ihr auf die Knie fiel angesichts einer Wunde, die sich quer über ihr Fleisch zog. Er war der einzige Mensch auf der Welt, der ihren Namen sagte, als hätte er eine Bedeutung, als bedeutete er etwas, das größer war als ihr Körper, schöner als ihre Kleider, etwas, das auf der Welt einen Platz und eine Wichtigkeit hatte. SYLVAN. Er ritzte ihren Namen in einen Baum, gleich neben seinen, und schnitzte ein Herz darum, und so wusste sie, wenn sie recht darüber nachdachte, doch, wo ihr Herz denn nun war  – genau dort.
    Er wollte sie heiraten. Fragte sie wieder und wieder. Sie sei reich, sagte er. Sie könne frei sein. Und dann könnten sie zusammen sein. Doch jedes Mal, wenn sie kurz davor stand, ja
zu sagen, sah sie das Gesicht ihrer Mutter vor sich und das ihres Vaters, wie sie heimatlos und entfremdet irgendwo auf einer fremden Veranda vor sich hin starben, weit weg von der Farm, auf der ihre Mütter und Väter begraben waren, und sie brachte es einfach nicht fertig.
    In der dritten Woche des September, in einer Nacht, die so warm war, dass Charlie Beale aus dem Bett aufgestanden und hinaus an den Fluss gefahren war, wo er sich auf dem Boden ausstreckte und ohne eine Decke schlief, nur den Hund neben sich, wurde Sylvan Glass von ihrem Ehemann zu Sheriff Ricky Straubs Haus gefahren, wo sie ihn mitten in der Nacht weckte, sagte, sie sei Mrs. Harrison Glass  – einen Namen, den er zuerst gar nicht erkannte, schlaftrunken wie er war, und weil er ihn schon so lange nicht mehr gehört hatte  – und behauptete, sie sei von Charlie Beale vergewaltigt worden.
    Sie fragen sich vielleicht, warum, und ich sage Ihnen, ich weiß es nicht.
    Niemand weiß, was sie Boaty gesagt hat oder wann, und niemand weiß, was für Dinge ein Ehemann wie er in einer solchen Situation zu einer Ehefrau wie Sylvan sagen würde oder was er ihr antun könnte, einer Frau, die es Schwarz auf Weiß hatte, dass sie die reichste Frau im ganzen County war, auf Schriftstücken, die sie nur insofern begriff, als sie wusste, dass sie geheim waren und niemand davon wissen durfte und dass sie, statt eine Fahrkarte in die Freiheit für sie zu bedeuten, nur zu einem weiteren Schloss geworden waren, hinter dem ihr Geist eingesperrt war. Ein anderer Mann hatte das getan. Ein besserer Mann als ihr Ehemann, absolut, doch trotzdem auch ein Mann, dessen Besitzansprüche an sie darin bestanden, dass er ihr die Macht über alles gegeben hatte, was er auf der Welt besaß, sodass er selbst nichts
mehr hatte, nichts außer ihr, und der jetzt gesucht und festgenommen und ins Gefängnis gebracht werden würde, so wie sie es wünschte, ganz gleich, auf wessen Anweisung hin oder aus welcher Laune von ihr heraus.
    Nehmen wir einfach einmal an, Sylvan habe Boaty das, was sie ihm sagte, nicht aus freien Stücken gesagt, sondern weil er von ihr verlangte, dass sie ihm verriet, was er bereits wusste. Nehmen wir einmal an, er habe gesagt, er würde Charlie Beale umbringen, den Mann, den alle in der Stadt wie einen Helden verehrten, und dass er auch sie umbringen würde, eine Frau, die weder einen Begriff von sich selbst hatte noch von ihrem Wert oder ihrem Platz in der Welt.
    Ganz gewiss hatte er sie an den Küchentisch gesetzt und ihr zum hundertsten Mal ihren Ehevertrag gezeigt, durch den ihre Mutter und ihr Vater, die ganze Familie, eines Ortes verlustig gehen würden, wo sie leben konnten. Und dass es ihr seltsam vorkam, ihren eigenen Namen auf dem beglaubigten Dokument zu sehen, das sie zu seinem Besitz machte,

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