Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Ein wildes Herz

Ein wildes Herz

Titel: Ein wildes Herz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Goolrick
Vom Netzwerk:
Sam, und da dürfen sie weder in die Schule gehen, noch werden sie ihre Mama und ihren Daddy je wiedersehen, und wenn sie das überleben, wenn sie das überleben, dann werden sie ebenso böse und unwissend sein wie die Farbigen. Ist es das, was du willst, Sam? Weil ich mir nämlich ziemlich sicher bin, dass du gerade lügst.«
    »Euer Ehren.« Cully Blake erhob sich leicht schwankend von seinem Stuhl. »Der Herr Staatsanwalt bedrängt und bedroht auf ungebührliche Weise einen Sechsjährigen. Er hat das gesagt, was er weiß, und was er weiß, ist nicht von Bedeutung. Schämen Sie sich.« Mit diesen Worten und einer
überheblichen Drehung seines Halses in dem weißen Kragen, der so hart gestärkt war, dass man die Reibung des Stoffes an der geröteten Haut seines Halses hören konnte, wandte er sich dem Staatsanwalt zu.
    »Bitte, halten Sie sich an die Fakten«, sagte der Richter.
    »Er lügt, Euer Ehren«, beharrte der Staatsanwalt.
    »Nun, dann überführen Sie ihn dabei oder lassen Sie ihn in Ruhe. Das ist eine Anordnung.«
    »Na gut.« Der Staatsanwalt wandte sich an Sam. »Versuchen wir es anders herum. Du sagst, sie waren nie allein miteinander?«
    »Nein, Sir.«
    »Was  – du hast es nicht gesagt, oder sie waren nie allein?«
    Was war die richtige Antwort? Jetzt war Sam etwas verwirrt. »Ich glaube, sie waren nie allein miteinander.«
    »Nun, wenn sie nicht allein miteinander waren, haben sie denn je miteinander geredet?«
    »Nein, Sir.«
    »Haben sie sich jemals berührt, wenn sie nicht allein miteinander waren?«
    »Einspruch.« Blake erhob sich erneut.
    »Nicht stattgegeben«, sagte der Richter. »Setzen Sie sich, Mr. Blake. Ich lasse es vorerst zu.«
    »Und wenn sie nicht alleine miteinander waren, hat Charlie Mrs. Glass jemals geküsst?«
    »Nein, Sir.«
    »Haben sie sich ausgezogen?«
    Er hatte sie gesehen. Er hatte alles von ihr gesehen, und dieses Bild in seiner Erinnerung war so klar, so scharf, dass es fast so war, als hätte er sie selbst berührt. Sie hatte ihm Plätzchen gebacken und ihm Comics geschenkt, und dann waren sie in ein anderes Zimmer gegangen, sie hatte sich
ausgezogen, aber er wusste mehr, wie sich das angehört hatte, als wie es aussah, und er hatte die Geräusche besser einordnen können als die Vorstellung von ihr, so biegsam, so überall, so blond.
    »Nein, Sir.«
    »Verdammt. Ich geb’s auf. Du lügst, Sam. Das weißt du. Ich weiß es. Jeder weiß es, einschließlich des Gottes, der dich in die Hölle schicken wird, und des Richters, der dich …«
    »Einspruch.«
    »Stattgegeben.«
    »… für lange Zeit ins Gefängnis stecken wird. Tut mir leid, Euer Ehren. Ich habe noch eine weitere Frage. Sam. Wenn du mit Charlie allein warst, hat er dann jemals etwas über Mrs. Glass gesagt?«
    Sam saß einfach nur lange Zeit da. Gefängnis. Der Gedanke an auch nur eine Nacht im Gefängnis, weit weg von seiner Mutter und seinem Vater, ängstigte ihn fast zu Tränen, und die Hölle war für immer, so viel wusste er.
    »Sam?«
    »Ja, Sir?«, erwiderte er in einem winzigen Stimmchen.
    »Sprich lauter, Sam. Lauter. Was hat Charlie gesagt?«
    »Beebo sagte … er sagte, er würde für sie sterben.«
    »Bitte?«
    »Für sie sterben. Er sagte, er würde für sie sterben.«
    »Danke, Sam. Könnte sein, dass er das auch wird.«
    Blake sagte, er habe keine weiteren Fragen, und sprach dann überschwänglich vom Alter des Jungen, das noch sehr zart sei, und so weiter, und Sam saß einfach nur da, bis sie ihm sagten, es sei Zeit zu gehen und er könne wieder bei seinen Eltern Platz nehmen. Seine Mutter nahm seine Hand und drückte sie fest, und er wusste, es war nicht vorbei, so wie sie gesagt hatten. Es war alles andere als vorbei.

    Als Nächste kam Claudie Wiley, die sich aufgedonnert hatte, als würde sie zu einer Schwarzenhochzeit bei den Baptisten in New York City gehen. Ihr Kleid war leuchtend fuchsiarosa, nach einem Muster genäht, das sie in der Vogue gefunden hatte, und es stand ihr ausgezeichnet. Es hatte einen passenden Hut mit Schleier und Schuhe, alles in derselben intensiven Farbe, der Farbe des Sonnenuntergangs, diesem letzten Aufbäumen von Farbe, bevor es dunkel wird.
    Sie schwor auf die Bibel und hatte tatsächlich vor, die Wahrheit zu sagen, denn auch wenn sie das, was sie zu sagen hatte, schrecklich fand, war ihre Angst vor weißen Männern und Gerichtssälen so groß, dass sie sich dazu verpflichtet fühlte, denn sie wollte weder ihre Freiheit noch ihre Tochter und ihre

Weitere Kostenlose Bücher