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Ein wildes Herz

Ein wildes Herz

Titel: Ein wildes Herz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Goolrick
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Hoffnung verlieren. Weiße Männer konnten einen einlochen, das wusste sie ganz sicher, und würde es sich keine zwei Mal überlegen. Einen sechsjährigen weißen Jungen ins Gefängnis stecken? Das würde nie geschehen. Doch eine schwarze Frau, die ihre Meinung für sich behielt und sich um sonst nichts scherte? Die würden sie in ein dunkles Loch werfen, ihre Tochter würde ins Heim kommen, und das würde sie beide umbringen.
    »Nun, Claudie«, sagte der Staatsanwalt, den sie auf der Stelle hasste.
    »Sollten Sie mich eigentlich nicht Miz Wiley nennen, oder was?«, fragte sie keck.
    »Ich kann Sie nennen, wie ich will, aber wenn Sie Mrs. Wiley wollen, dann nenne ich Sie so. Sind Sie denn überhaupt eine Mrs. Wiley? Ich meine, gibt es einen Mr. Wiley?«
    »Nicht mehr.«
    »Ich meine, hat es ihn je gegeben?«
    »Nicht ganz.«

    »Nun, wie Sie wollen, Mrs. Wiley.« Das war fast ein Fauchen. »Wie gut kennen Sie Mrs. Harrison Glas?«
    »Recht gut, Euer Ehren.«
    »Ich bin nicht der Richter. Den Richter, der hier sitzt, den spricht man mit ›Euer Ehren‹ an.«
    »Entschuldigen Sie. Sie ist so ziemlich meine einzige Freundin.«
    »Und sprach denn Mrs. Glass einmal mit Ihnen über Charlie Beale?«
    »Die ganze Zeit. Sie redet über fast nichts anderes.«
    »Und was sagt sie so?«
    »Sie sagt, wie süß er ist, dass er aussieht wie irgendein Filmschauspieler. Letzte Woche haben wir den im Kino gesehen. Mir kam er nicht gerade wie ein netter Mann vor, dieser Schauspieler, in dem Film.«
    »Ist denn Charlie Beale im richtigen Leben ein netter Mann?«
    »Schätze schon. Er hat die Macht. Er hat die Gabe.«
    »Was für eine Gabe, Mrs. Wiley?«
    »Die Gabe zu heilen. Ich habe es selbst gesehen.«
    »Hat sie denn in der ersten Septemberwoche etwas Besonderes, irgendetwas Außergewöhnliches, zu Ihnen gesagt, was Charlie Beale betrifft?«
    Sie war eine Königin, diese Claudie. Sie saß ganz allein im Zeugenstand, zitternd vor Angst und Aufregung zugleich. Sie genoss die Aufmerksamkeit und kämpfte um ihr Leben.
    »Sie sagte, er habe sie vergewaltigt. Sie sagte, er habe sie drei Mal vergewaltigt.«
    »Drei Mal?«
    »Ja, Sir. Da war sie sehr pingelig. Sie ließ es mich aufschreiben.« Sie zog ein Stück Papier aus ihrer Handtasche. »Er vergewaltigte sie am neunzehnten November 1948. Am
zwölften April 1949 und dann wieder in der letzten Augustwoche, gleich nachdem er den Jungen gerettet hatte, am vierundzwanzigsten.«
    »Kann ich dieses Stück Papier sehen?« Claudie reichte es dem Staatsanwalt, und der gab es an den Richter weiter, dann an Blake, der es zu den Beweismitteln legte.
    »Hat sie denn gesagt, wie er es gemacht hat?«
    »Er hat es so gemacht wie immer, schätze ich. Er hat den Jungen mit zu ihr gebracht, und während sie mit dem Jungen spielte, hat er sie von hinten gepackt und sie vor den Augen des Jungen vergewaltigt.«
    »Und wie oft?«
    »Frage gestellt und beantwortet«, warf Blake ein.
    »Drei Mal.«
    Jetzt kam ihr der Staatsanwalt viel netter vor. »Danke, Mrs. Wiley. Sie haben uns sehr geholfen. Ihre Zeugin«, sagte er zu Blake, und dann setzte er sich, ein zufriedenes Lächeln auf dem Gesicht.
    Mr. Blake stand auf. Er kam ihr nicht zu nahe, so wie der Staatsanwalt. Er vermied es, zu nahe bei Leuten zu stehen, damit sie seine Whiskey-Fahne nicht bemerkten.
    »Mrs. Wiley, das ist ein sehr schönes Kleid, das Sie anhaben.«
    »Danke.«
    »Sie machen auch für Mrs. Glass die Kleider, stimmt’s?«
    »Ja. Sir.«
    »Und Sie sind auch befreundet miteinander, richtig?«
    »Schätze schon. Ich schätze, sie ist die einzige Freundin, die ich habe.«
    »Wie oft haben Sie Mrs. Glass im letzten Jahr gesehen?«
    »Viele Male. Vielleicht ein oder zwei Mal die Woche.«
    »Hundert Mal?«

    »Könnte sein.«
    »Und in all dieser Zeit, hat Mrs. Glass da jemals diese angeblichen Vergewaltigungen vor jenem einen Mal erwähnt?«
    »Nein, Sir, hat sie nicht.«
    »Nicht am neunzehnten November, direkt nachdem es zum ersten Mal passiert war?«
    »Nein, Sir.«
    »Oder am dreizehnten April, dem zweiten Mal?«
    »Nein, Sir.«
    Bei dem, was Claudie mit Sylvan einstudiert hatte, waren sie nicht so weit gekommen. Sylvan hatte gedacht, allein die Festlegung der Daten würde reichen, einschließlich der Uhrzeit, des Ortes; all das waren sie durchgegangen, aber das schien jetzt gar nicht von Interesse zu sein. Claudie wusste, dass ihre Freundin von ihr erwartete, dass sie für sie log, aber so weit ging eine Freundschaft mit einer Weißen

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