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Eindeutig Liebe - Roman

Eindeutig Liebe - Roman

Titel: Eindeutig Liebe - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jessica Thompson
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sie fest. Trauer. Schweigen. Enttäuschung.
    Schließlich schlief sie ein. Ich nicht. Ich blieb wach, wie eine Eule. Für sie da sein … Ich schwor mir, für den Rest meines Lebens für sie da zu sein, wenn sie mich nur ließ.
    Sienna
    Trauer. Ich weiß nicht, wie ich es anders beschreiben soll als eine Achterbahnfahrt, die einen zu den Ratten und Dämonen in die Höllengrube wirft und dann über die Wolken hinaus erhebt, dorthin, wo der Himmel beginnt.
    Wenn ich unten war, fragte ich mich, ob ich mich jemals wieder würde ausgraben können. Wenn ich oben war, wartete ich vor dem Himmelstor und rief den Namen meines Vaters, immer in der vergeblichen Hoffnung, dass er mir antworten würde. Ich sehe mich gern als Optimistin, und ich glaube, ich verdanke es nur meinem Optimismus, dass ich diese Zeit überhaupt durchstand.
    Meinem Optimismus und natürlich Nick. Ich verbrachte zwei Wochen in seinem Haus und füllte jeden Raum mit dem Gestank meines Verlusts. Ich konnte mich waschen, so viel ich wollte, ich fühlte mich trotzdem schmutzig. Und ich war immer müde, egal, wie viel ich schlief. Und ich schlief viel. In der ersten Nacht schlief ich neben Nick – angezogen –, doch danach übernachtete ich in seinem Gästezimmer.
    Wann immer er nicht zu Hause war, vergrub ich mich in seinem Schlafzimmer, damit ich ihm wenigstens auf diese Weise nahe war. Sein Geruch, der mich umgab, war mein einziger Trost in dieser Welt. Ich drückte mir sein Kopfkissen ins Gesicht und sog die Wärme in mich auf; das war fast so, als wäre er bei mir und hielte mich fest. Denn wirklich nur so kam ich zur Ruhe – wenn ich mir vorstellen konnte, dass er mich umschlang und fest an sich drückte.
    Ich war blass und hatte rote Streifen unter den Augen. Es sah aus, als hätte mich jemand im Rahmen eines obskuren afrikanischen Rituals angemalt. Mein Haar hing schlaff herunter, war fettig und verfilzt. Manchmal, wenn Nick von der Arbeit nach Hause kam, redeten wir nicht einmal, weil ich mich ins Gästezimmer legte und den ganzen Abend verschlief. Er kam jedes Mal hoch und sah nach mir, während ich vor mich hin dämmerte und nur grunzen konnte. Dann zog ich mir die Bettdecke über den Kopf.
    Manchmal wollte ich merkwürdige Dinge tun – Brettspiele spielen oder bis um vier Uhr morgens die Wiederholungen von Friends gucken –, weil ich den Schmerz anders nicht in den Griff bekam. Und das waren Schmerzen! Schmerzen, die ich vergessen hatte und die mir sämtliche Erinnerungen an die Zeit zurückbrachten, als meine Mutter uns verlassen hatte. Jetzt hatte ich überhaupt keine Eltern mehr. Diese Art von Schmerz bereitet einem körperliche Qualen. Es war ein unbekanntes Gefühl, schneidender und greifbarer als alles, was ich je hatte ertragen müssen. Im Laufe dieser vierzehn Tage war ich mal wütend, mal traurig, mal ratlos und manchmal sogar hysterisch.
    Doch trotz all des Schmerzes verlor ich nie eine Art von Glück, das sich samtig weich anfühlte. Ich fühlte mich seltsam glücklich, weil ich meinen Vater für die Zeit hatte kennen dürfen, die uns vergönnt gewesen war: fünfundzwanzig schöne Jahre lang. Gewiss, es war schwer gewesen – ich hatte mich fast fünfzehn Jahre lang um ihn gekümmert –, doch bis ans Ende meines Lebens würde ich jeden einzelnen Augenblick mit ihm in Ehren halten. Fünfundzwanzig Jahre. Viele Menschen leben gar nicht so lange … Es war hart gewesen – manchmal sehr hart –, und oft hatte ich mich gefragt, wie wir das alles schaffen sollten, aber irgendwie war es uns immer gelungen.
    Obwohl er mir so grausam entrissen worden war, fiel es mir schwer, mich an ihn zu erinnern, ohne zu lächeln, ohne diese Wärme, die den Schmerz durchdrang und ihn zur Seite schob, auch wenn es immer nur für ein paar Minuten war.
    Nick hatte sich Montag und Dienstag freigenommen, weil er Angst hatte, mich allein zu lassen. Ich sagte ihm, er solle wieder zur Arbeit gehen, bevor ich ihn noch mit meinem Elend ansteckte. Doch er rief mich ständig vom Verlag aus an, und wenn ich abnahm, verliefen die Telefonate ungefähr so:
    »Si, wie geht es dir?«
    »Gut, Nick.«
    »Aber du hörst dich nicht gut an – ich komme nach Hause, okay? Gib mir zwanzig Minuten.«
    »Nein, bitte. Bleib auf der Arbeit. Ich komme zurecht, ich verspreche es dir.«
    »Bist du sicher?«
    »Ja.«
    Dieses Gespräch führten wir jeden Tag mindestens viermal.
    Freunde kamen und klopften an die Tür; manchmal öffnete ich, manchmal nicht. Am Montag kam Elouise. Nick

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