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Eindeutig Liebe - Roman

Eindeutig Liebe - Roman

Titel: Eindeutig Liebe - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jessica Thompson
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was nicht?«, fragte ich zurück und nahm eine Abwehrhaltung ein. Ich war schließlich wegen der Sportklamotten hier, nicht für ein Kreuzverhör wegen meines Versagens in Liebesdingen.
    »Warum um alles in der Welt bist du nicht verheiratet? Du bist doch so schön«, sagte sie ärgerlich und verlagerte ihr Gewicht auf ihr linkes Bein, während sie mich von oben bis unten musterte.
    Ich errötete. Ich war wütend, geschmeichelt und verlegen – alles gleichzeitig. Und sie – da war ich mir ziemlich sicher – hatte eine ganz große Schraube locker.
    »Sieh dich nur an«, forderte sie mich auf, und es schien, als stünde sie kurz vor einem Wutausbruch. Sie warf den hohen Spiegel herum und konfrontierte mich mit meinem Anblick: Ich sah verängstigt aus. Es war ein wenig wie bei Trinny und Susannah, nur noch gröber und demütigender. Wenigstens war sie mir noch nicht an die Brüste gegangen. Lieber Himmel, außer uns war niemand in dem Laden. Sie könnte mich umbringen und als Gammelfleisch an den Pub um die Ecke verkaufen! Aber hier stand ich, ein ängstliches Ding, gebannt von der Tirade dieser seltsamen Frau.
    Hier sind die Lebensdaten: Sienna Walker, eins siebzig groß, sechzig Kilo, langes dunkles Haar, schwarz-rosarote Hi-Top-Turnschuhe und eine hübsche grobe Strickjacke über Boy-fit-Jeans. Ein ganz durchschnittliches Allerweltsmädchen Anfang zwanzig in Londoner Freizeitkleidung. Na und?
    »Willst du wissen, weshalb du noch nicht verheiratet bist?«, fragte sie und kam noch dichter an mich heran. Der Geruch von abgestandenem Chanel No. 5 bombardierte meine Nasenlöcher. Igitt!
    »Weil ich jung, beschäftigt und nicht besonders heiratswütig bin?«, entgegnete ich giftig. Offensichtlich gehörte sie zu diesen altmodischen Frauen, die fanden, das Leben einer Frau sollte sich darum drehen, dass sie die dreckigen Unterhosen ihres Mannes mit Kernseife und einem kaputten Waschbrett sauber rubbelte. Na, von wegen, Frollein!
    »Nein, natürlich nicht!«, kreischte sie und wedelte mit der rechten Hand in der staubigen Luft herum, wobei sie mit einem ihrer scharfen roten Fingernägel nur knapp meine Nase verfehlte. Das grenzte doch schon fast an Nötigung, oder?
    Sie stellte sich hinter mich, und ich bemerkte, dass sie ihr dünnes graues Haar zu einem Dutt aufgesteckt hatte, der aussah, als würde er ihr gleich vom Kopf fallen. Wie eine Puderquaste sozusagen. Ich hätte einfach aus dem Laden stürmen sollen, aber ich war zu neugierig – und vielleicht auch ein wenig masochistisch.
    Was hatte sie nur vor?
    »Das kommt alles davon«, stieß sie voll Abscheu hervor, zerrte an dem Stoff meiner weiten Jeans und riss an einem Ärmel meiner Strickjacke, sodass er schlaff von meinem Handgelenk herunterhing.
    Dann stellte sie sich auf meine linke Seite. »Und davon«, meinte sie, hob eine Strähne meines ungekämmten Haares hoch und ließ sie wieder fallen, als wäre es ein Rattenschwanz.
    Na ja, so ganz unrecht hatte sie nicht. Ich sah heute wirklich nicht besonders gepflegt aus, aber trotzdem …
    »Kleidung wie diese ist eine beleidigende Zurückweisung des Geschenks, eine Frau zu sein«, sagte sie im Brustton der Überzeugung. »Wie heißt du?«
    »Sienna«, antwortete ich, obwohl ich mich darüber ärgerte, dass sie mich einfach so duzte.
    »Du, Sienna, bist eine bezaubernde schöne junge Frau. Das ist ein Geschenk.« Sie setzte ihren Zeigefinger unter mein Kinn und hob meinen Kopf so weit nach oben, dass ich die Wärme der Deckenbeleuchtung auf meinen Lidern spüren konnte. Ich hoffte bloß, dass sie nicht mit all ihren Kundinnen so redete.
    »Na, sehr nett von Ihnen, das zu sagen. Aber ich glaube, ich gehe jetzt lieber … Ich wollte nur Sportklamotten …« Ich verstummte und machte Anstalten, mich der Tür und einem gewissen Maß an Normalität zuzuwenden.
    »Nein. Das darfst du nicht!«
    Oje. Die würde mich eindeutig zu Hackfleisch verarbeiten. Niemand wusste, dass ich hier war. Sicher wäre mein Gesicht bald überall im Land auf den Milchkartons zu sehen.
    »Wieso?«, fragte ich, jetzt ein bisschen aggressiver. Ich durfte mich vor dieser Frau nicht fürchten, auch wenn sie den Eindruck erweckte, aus uraltem Schuhleder gemacht zu sein.
    »Ich möchte dir das hier schenken«, verkündete sie und zog einen dicken Samtvorhang beiseite. Dahinter hing eines der schönsten Kleider, die ich in meinem ganzen Leben gesehen hatte. Im Ernst.
    Das schummrige Licht warf dunkle Schatten auf einen Traum aus smaragdgrünem Stoff.

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