Eine andere Art von Ewigkeit: Lilith-Saga: 2 (German Edition)
„Dann träum‘ mal schön weiter und lass dich überraschen.“
Johannes merkte, dass hinter meinen Worten mehr steckte, als ihm zunächst deutlich wurde. Er neigte seinen Kopf leicht zur Seite, wie immer, wenn er zu ergründen versuchte, was in mir vorging. Ich lächelte ihn lediglich brav an und ließ es damit bewenden. Er würde früh genug erfahren, was ich meinte.
Asmodeo rollte sein Glas in der Hand hin und her. Dann nahm er einen tiefen Schluck.
Diese Nacht würde ich mit Johannes verbringen. Das war ihm klar.
15
Eine neue Folie wurde auf die weiße Leinwand projiziert. Der verantwortliche Leiter deutete mit seinem roten Laserpointer auf eine Zahlengruppe und erläuterte zum x-ten Mal wortreich die gigantischen Fortschritte, die das Projekt bereits vorzuweisen hatte.
„Stopp“, sagte Clement Hohenberg. Der Projektleiter, ein älterer, grauhaariger Mann, der als sichtbares Zeichen seiner unantastbaren Autorität einen weißen Kittel über seinem dunklen Anzug trug, verharrte mitten im Satz.
„Wie meinen Sie bitte?“ Seine Irritation drückte sich deutlich in seinem Tonfall aus. Er war es nicht gewohnt, unterbrochen zu werden.
Clement wiederholte. „Stopp. Hören Sie sofort mit dieser Scheiße auf, Herr Dr. Müller.“
Dem Projektleiter schoss das Blut ins Gesicht, rote Flecken erschienen auf seinen Backenknochen. Er setzte mehrmals zu einer Erwiderung an, und sah für einen Moment aus, wie ein Karpfen auf dem Trockenen, der sein Maul öffnet und schließt, in dem vergeblichen Versuch, Sauerstoff zu bekommen.
„Machen Sie den Mund zu! Und Sie da drüben“, Clement wandte sich an einen weiteren Mitarbeiter, ebenfalls ein Weißkittel, „schalten Sie den dämlichen Beamer aus und ich will sofort normales Licht in diesem Raum.“
Es herrschte betretene Stille, während die leitenden Angestellten der Steuerungsgruppe Lichtwellentechnik Clements Anweisungen befolgten.
„Und jetzt alle raus hier. Ich will mit Herrn Dr. Müller alleine sprechen. Außer ihm bleibt nur noch mein Direktionsassistent Becker.“
An die zwei Dutzend Führungskräfte verließen kommentarlos den Raum. Clement wartete bis sich die Tür hinter dem letzten Mitarbeiter geschlossen hatte. Er hob seine Hand und deutete auf den leeren Platz vor seinem Tisch. „Herr Dr. Müller, nehmen Sie sich bitte einen Stuhl und setzten Sie sich zu mir. Wir müssen uns unterhalten.“
Der Projektleiter machte Anstalten, sich zu bewegen, dann hielt er abrupt inne. Die Röte war aus seinem Gesicht gewichen, eine ungesunde Blässe hatte sie ersetzt. „Ich muss schon sagen, Herr Hohenberg, so lasse ich nicht mit mir reden. Nicht vor meinen Mitarbeitern.“
Clement stützte seinen Kopf seitlich mit Daumen und Zeigefinger. Seine hellgrünen Augen glänzten böse. „So? Lassen Sie nicht?“
„Nein, das habe ich nicht nötig, mich auf diese Art und Weise anreden zu lassen.“
„Haben Sie nicht?“ Clements Zeigefinger vollführte kreisrunde Bewegungen an seiner Schläfe. „Ich sage Ihnen einmal, wie ich das sehe. Sie haben von mir die weltbeste Forschungseinrichtung hingestellt bekommen, die es für Geld zu kaufen gibt. Wir haben monatelang die fähigsten Wissenschaftler aus der ganzen Welt angeheuert. Sie haben bislang mehr als vierhundert Millionen Euro verbraucht. Und wenn ich wissen will, was aus meinem Geld geworden ist, zeigen Sie mir ein paar kindische bunte Folien, die vermutlich ein Auszubildender zusammengestellt hat. Diese Dinger taugen vielleicht für einen Vorschulkindergarten, aber zu mehr auch nicht. Nicht ich habe Sie beleidigt, sondern Sie mich.“
Dr. Müller versuchte eine Erwiderung zu geben, aber er fand nicht die richtigen Worte.
Becker, der Direktionsassistent, stellte einen Stuhl vor Clements Tisch und wies wortlos darauf. Der Projektleiter trat an den Tisch heran, setzte sich zögernd, lehnte sich leicht zurück und verschränkte die Arme vor der Brust.
„Bravo“, sagte Clement. „Das wäre geschafft. Und jetzt erklären Sie mir allgemeinverständlich, ohne dieses Fachchinesisch und ohne diese sinnlosen Meilensteine, Teilziele und strategischen Schritte, die Sie in Ihrem einschläfernden Vortrag strapaziert haben, wie es um unser Projekt steht.“
Dr. Müller setzte mehrmals zu einer Antwort an, fingerte nervös am Revers seines Kittels herum und rückte sein Namensschild gerade, welches an die rechte Brustseite seines Arztmantels geheftet war. „Wir haben Fortschritte gemacht“, sagte er
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