Eine Andere Welt
aber keinen sehr guten; bloß Stereo. Aber er ist in Ordnung.«
»Sehr gut«, sagte er und ließ ihr den Vortri. »Gehen wir.«
23
M
ary Ann Dominic hae Wände und Decken ihrer Wohnung selbst bemalt. Schöne, kräige, harmonische Farben; er blickte beeindruckt umher. Und die wenigen Kunstgegenstände im Wohnzimmer waren von schlichter kravoller Schönheit. Er nahm eine harmonisch geformte blaue Vase mit feiner Glasur auf und bewunderte sie.
»Die habe ich gemacht«, sagte Mary Ann.
»Diese Vase«, erklärte er großspurig, »wird in meiner Show allen gezeigt werden.«
Sie blickte ihn verwundert an.
»Ich werde mit dieser Vase aureten, verstehen Sie?« sagte er. »Man könnte eine große Nummer damit auauen, zum Beispiel, wie ich singend aus der Vase emporsteige, wie ihr magischer Geist.« Er hob die blaue Vase hoch und drehte sie in einer Hand. »Keine schlechte Idee«, sagte er. »Könnte für Sie der Anfang einer guten Karriere werden.«
»Vielleicht sollten Sie die Vase lieber mit beiden Händen halten«, sagte Mary Ann unbehaglich.
»Ein Schlager dazu wie Zwischen Nichts und Nirgendwo, etwas, was die Leute auorchen ...« Die Vase entgli seinen Fingern und fiel zu Boden. Mary Ann sprang hinzu, aber zu spät. Die Vase zerbrach in drei Stücke und lag neben Jasons Schuh, die rauhen, unglasierten Bruchflächen blaß, unregelmäßig und anklagend.
Langes betretenes Schweigen.
»Ich denke, ich kann sie kien«, sagte Mary Ann schließlich ohne rechte Überzeugung.
Er wußte nichts zu sagen.
»Das Peinlichste, was mir je passierte«, sagte Mary Ann, »war einmal mit meiner Muer. Sie hae ein chronisches Nierenleiden und mußte regelmäßig ins Krankenhaus, als ich Kind war, und immer flocht sie ins Gespräch ein, daß sie an ihrem Nierenleiden sterben werde, und ob es mir dann nicht leid tun würde – als ob es meine Schuld gewesen wäre. Ich glaubte ihr wirklich, daß sie eines Tages daran sterben würde. Aber dann wuchs ich heran und zog von zu Hause fort, und sie starb noch immer nicht. Und ich vergaß sie irgendwie; ich hae mein eigenes Leben aufzubauen. So war es ganz natürlich, daß ich ihr verdammtes Nierenleiden vergaß. Und dann kam sie eines Tages zu Besuch, nicht hier, sondern in der Wohnung, die ich damals hae, und sie ging mir wirklich auf die Nerven, wie sie herumsaß und die ganze Zeit nur von ihren Leiden und Gebrechen erzählte und sich beklagte, unauörlich ... Schließlich sagte ich: ›Ich muß zum Abendessen einkaufen‹, und ging zum Laden. Meine Muer humpelte mit, und unterwegs rückte sie damit heraus, daß ihre Nieren inzwischen beide so weit hinüber seien, daß sie herausgenommen werden müßten, und darum würde sie demnächst ins Krankenhaus gehen, wo man versuchen wolle, ihr eine künstliche Niere einzupflanzen, aber wahrscheinlich würde es nicht funktionieren. Sie sagte mir das alles, damit ich sehe, wohin es nun mit ihr gekommen sei: sie werde jetzt wirklich sterben, wie sie schon früher immer gesagt habe ... und auf einmal blickte ich auf und merkte, daß ich im Supermarkt war, am Fleischstand, und dieser nee Verkäufer, den ich mochte, kam herüber, begrüßte mich und sagte: ›Was darf ich Ihnen heute geben, Miß?‹ und ich sagte: ›Ich möchte zum Abendessen gern saure Nieren machen.‹ Es war furchtbar peinlich. ›Für wie viele Personen?‹ fragte er. Meine Muer starrte mich befremdet und empört an, und ich wußte wirklich nicht, wie ich mich da herausziehen sollte. Schließlich kaue ich doch zwei Schweinenieren, die ich mir dann am Abend machte. Sie schmeckten sehr gut.«
»Ich werde Ihnen die Vase bezahlen«, sagte Jason. »Wieviel wollen Sie dafür?«
Sie zögerte. »Nun, wenn ich an Geschäe verkaufe, kriege ich den Großhandelspreis, aber Ihnen müßte ich den Einzelhandelspreis ...«
Er zog sein Geld aus der Tasche. »Selbstverständlich ersetze ich Ihnen den Einzelhandelspreis«, sagte er.
»Vierzig Dollar.«
»Ich könnte Sie auch in einer anderen Weise fördern«, sagte er. »Wir brauchen nur den richtigen Dreh. Wie wäre es mit diesem: wir zeigen dem Publikum eine kostbare alte Vase, sagen wir, aus dem China des fünen Jahrhunderts, und ein Kunstsachverständiger tri auf und bestätigt ihre Echtheit und ihren Wert. Und dann werden Sie an Ihrer Töpferscheibe sitzen und vor den Augen des Publikums eine Vase machen, und wir werden den Leuten zeigen, daß Ihre Vase besser ist.«
»Sie würde nicht besser sein. Das ist unmöglich. Die frühe chinesische Töpferkunst
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