Eine angesehene Familie
daß du hier alles hast, was du brauchst. Weil du alles bekommst, ohne dich dafür zu verkaufen: Ein Dach, ein Bett, ein Essen, Wärme, Trockenheit, Geborgenheit, Diskretion, Freiheit …«
»Und immer Dope, wenn ich sie brauche.«
»Das ist es!« Makaroff lächelte sie an. »Bis ich sage: Stop!«
»Dann bin ich aus dem Fenster, großer Wohltäter.« Sie kippte den Cocktail mit nach hinten geworfenem Kopf hinunter, stellte aber das Glas diesmal sittsam auf den Tisch und warf es nicht durch die Gegend. »Was machen wir jetzt?«
»Ich gehe in mein Arbeitszimmer und kümmere mich um meine – Künstler. Du kannst machen, wozu du Lust hast. Platten hören, fernsehen, herumdösen, lesen, schlafen, – ganz wie dir zumute ist.«
Sie hob die Schultern, zog ihre Umhängetasche zu sich, öffnete sie und holte das verchromte Kästchen heraus. Sie stellte es auf den Tisch und ließ den Deckel aufspringen.
»Kennen Sie das noch?«
»Natürlich. Ich habe dir doch den Kasten geschenkt.«
»Die Spritze habe ich dreimal ausgewechselt, auch die sterile Watte. Die sogar jede Woche. War ein gutes Geschenk, Petro. Ist doch richtig so? Sie heißen Petro?«
»Ja. Auf das ›Sie‹ kannst du auch verzichten.«
»Vielleicht später. Falls ich bleibe. So sicher ist das nämlich noch nicht. Sie sind mir irgendwie unheimlich, Petro.«
»Weil ich mich nicht auf dich stürze, wenn du dir den Pullover ausziehst?«
»Auch. Aber nicht nur deshalb. Ich habe da ein Gefühl, das ich nicht erklären kann. Das ist so ähnlich wie bei einer Seilbahn. Sind Sie schon mal mit einer Seilbahn gefahren, hoch auf einen Berg? Da stecken Sie in einer engen Kabine, schweben zwischen Himmel und Erde, die Welt liegt hinter Ihnen, vor Ihnen wächst die Felswand auf, und Sie hängen nur an ein paar dünnen Drahtseilen, die über Rollen laufen, die an Stahlmasten montiert sind, und zwischen Ihnen und dem Abgrund ist nur eine dünne Bodenplatte aus Stahl, mit Holz belegt, und die Gondel schwankt im Wind und schwankt noch mehr, wenn Sie einen Mast passiert, und wir alle in der Gondel quieken wie die Ferkel, halten uns fest und lachen hysterisch … Wir glotzen aus dem Fenster, bewundern die herrliche Welt, freuen uns, so etwas Schönes sehen zu können, und haben gleichzeitig den Magen voll Übelkeit und so ein Gefühl in der Brust – ebenso ein Gefühl, das ich habe, wenn ich Sie ansehe, Petro.«
»Das wird vergehen«, sagte Makaroff. »Man gewöhnt sich auch an die Gondel.«
»Manche nie. Ich brauche nachher H …«
»Ich gebe dir ein halbes Halbe, das reicht.« Makaroff griff in die Tasche und warf ein Faltblättchen auf den Tisch. Monika sah ihn böse an.
»Das reicht nicht mehr!«
»Es ist das reinste, was es gibt. Fast hundertprozentig.«
»Wenn es zu wenig ist, haben Sie nachher den Tanz!« sagte Monika. Sie stand auf und zog das Faltblatt an sich. »Petro, machen wir einen Vertrag: Ich bleibe nur bei Ihnen, wenn ich nicht um jeden Krümel zu betteln brauche.«
»Du sollst zufrieden sein!« sagte Makaroff. »Sieh dich im Haus um; ich muß jetzt etwas Produktives tun.«
Er blieb vor Monika stehen, zögerte, hob dann die Hand und strich ihr über das Haar. Als sei das schon zuviel gewesen, wandte er sich brüsk ab und verließ mit weiten Schritten den Raum.
Monika blickte ihm mit vorgewölbten Lippen nach, den Kopf zur Seite geneigt, die Augen zusammengekniffen. Als er die Hand hob, hatte sie sich steif gemacht und die Brust vorgewölbt. Die schwebende Gondel … Man hat Angst und findet es trotzdem schön. Nun lief er davon und knallte die Tür hinter sich zu.
»Blödmann!« sagte Monika gepreßt. »Von allein komme ich nicht.«
Das Haus war ein orientalisches Märchen.
Monika lief herum, blickte in alle Zimmer, stand staunend vor der riesigen Badewanne aus grünem Marmor, mit goldenen Armaturen, legte sich auf eines der Betten im angrenzenden Schlafzimmer, öffnete die Schränke und fand sie gefüllt mit Wäsche, korrekt gestapelt, ausgerichtet wie die Soldaten. In einem Schrank hingen Damennachthemden und Negligés aus Batist, französischen Spitzen oder arabischer Brokatseide, sortiert nach Größen und Farben. Petro Makaroff schien ein Wäschefetischist zu sein, der seine jeweiligen Partnerinnen erst in teure Gewänder kleidete, ehe er sich seinen Leidenschaften hingab. Das sieht ihm ähnlich, dachte Monika. So etwas ist ihm zuzutrauen. Jede Frau muß eine Prinzessin sein, – sein Glück ist erst dann vollkommen, wenn er dieses
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