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Eine Art von Zorn

Eine Art von Zorn

Titel: Eine Art von Zorn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ambler
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Fuß einen kleinen Flur, der mir für unsere Heimlichkeiten besonders geeignet schien. Der Brigadier konnte dort mühelos die ausgewählten Seiten lesen, und wenn er leise sprach, so würden wir nicht auffallen, denn die weggehenden Patienten waren froh, wenn man sie nicht beachtete.
    Als ich die Türe einen Spalt weit öffnete, um nochmals einen Blick auf den Flur zu werfen, hörte ich jemanden die Treppe herunter kommen. Ich machte etwas weiter auf und schaute hinauf.
    Lucia hatte gesagt, daß er klein und fett sei; der Mann, der die Treppe herunterkam, war klein und untersetzt, und ich war ziemlich sicher, daß es sich um Brigadier Farisi handelte. Er hatte die zögernde, befangene Art des Offiziers, der nicht an Zivilkleider gewöhnt ist. Sein Maßanzug – ich tippte auf einen römischen Schneider – war ganz zugeknöpft, und die Krawatte war zu hell. Er hatte einen glatten olivefarbenen Teint, kurzgeschnittenes Haar, eine arrogante Nase und einen graumelierten Schnurrbart. Seine Augen waren dunkel und lebhaft.
    Als er mich sah, blieb er auf der Treppe stehen.
    »Brigadier Farisi?« fragte ich.
    Er kam mir entgegen. »Mr. Maas?«
    »Ja. Es klappt nicht ganz, Brigadier. Ich konnte im Hof keinen Parkplatz finden.« Die dunklen Augen musterten mich kurz. »Wohin sollen wir gehen? Was schlagen Sie vor? Ich muß Ihnen sagen, daß ich scharf überwacht werde.«
    »Haben Sie etwas dagegen, wenn wir hierbleiben?«
    Er dachte einen Augenblick lang nach, und sein Blick wanderte die Treppe hinauf. »Wir könnten gestört werden.«
    »Wenn wir leise sprechen, sind wir hier sicher.«
    »Gut.«
    Ich übergab ihm den Aktenumschlag mit den Leseproben.
    Er setzte eine Lesebrille auf. Zwei Minuten lang war es vollkommen still.
    Dann hörten wir von oben her Stimmen. Wieder ging ein Patient weg. Vom oberen Treppenabsatz her hörten wir ein Keuchen. Jemand kam langsam herunter.
    Fragend blickte mich der Brigadier an.
    »Vielleicht sollten wir einen Augenblick draußen warten«, sagte ich.
    Er nickte und machte den Umschlag zu. Wir gingen hinaus in den Hof.
    Etwas später öffnete sich die Tür, und ein kräftiger, breitschultriger Mann kam heraus. Er atmete mühsam, stützte sich beim Gehen auf einen Stock und hinterließ den Geruch abgestandenen Urins.
    Der Brigadier und ich gingen auf den Flur zurück.
    Wir wurden nicht mehr gestört. Als der Brigadier mit dem Lesen fertig war, nickte er. »Das scheint mir in Ordnung zu sein. Wann bekomme ich die gesamten Aufzeichnungen?«
    »Morgen, Brigadier.«
    »Und wo?«
    »Ich werde Sie noch heute abend anrufen.«
    »Können Sie es mir nicht jetzt sagen?«
    »Nein.«
    »Wir müssen äußerst vorsichtig sein.« Die dunklen Augen musterten mich wieder. Konnte man mir wirklich trauen?
    »Sie brauchen sich deswegen keine Sorgen zu machen«, sagte ich in festem Ton. »Werden Sie in französischen Francs zahlen?«
    »Ja. Ich nehme an, daß Sie und diese Frau das Land verlassen werden, sobald Sie das Geld in Händen haben?«
    »Nein. Sie wird sich der Polizei stellen.«
    »Mit einer vernünftigen Erklärung?«
    »Ganz recht. Diese wird selbstverständlich keine Anspielung auf unser Geschäft enthalten. Sie wird die persönlichen Dokumente Oberst Arbils aushändigen.«
    »Was für Dokumente?«
    »Ich nehme an, es handelt sich dabei vor allem um eine unvollendete Geschichte des kurdischen Volkes.«
    Er schien beruhigt zu sein. »Es wird Zeit, daß ich gehe«, sagte er. »Ich werde in meinem Hotel auf Ihren Anruf warten.«
    Mit einem Nicken wandte er sich ab und ging wieder die Treppe hinauf.
    Ich wartete, bis ich ihn nicht mehr sehen konnte, und ging dann wieder in den Hof hinaus. Alles schien unverändert. Ich ging auf die porte cochère zu und fühlte mich erleichten. Da sah ich ihn und blieb stehen.
    Direkt bei dem großen Einfahrtstor stand der Mann mit dem Sturzhelm neben seinem Motorrad. Als ich ihn erblickte, war er damit beschäftigt, die Maschine aufzubocken. Dann ging er in den Hof und schaute aufmerksam umher.
    Es war klar, was geschehen war. Der Brigadier war zu lange ausgeblieben. Man hatte jemanden ausgeschickt, um die Rückseite des Gebäudes zu überwachen.
    Ich stand im Schatten. Einen Augenblick lang überlegte ich, ob ich versuchen sollte, zwischen den geparkten Autos hindurchzukommen und dann durch die porte cochère zu rennen. Aber ich sah ein, daß dies hoffnungslos war. Selbst wenn ich ihm bis zur Straße entkommen konnte, so mußte ich noch bis zu meinem Wagen gehen; und er

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