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Eine Art zu leben: Über die Vielfalt menschlicher Würde (German Edition)

Eine Art zu leben: Über die Vielfalt menschlicher Würde (German Edition)

Titel: Eine Art zu leben: Über die Vielfalt menschlicher Würde (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Bieri
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Staat ihre Tötung als Mittel zur Rettung anderer benutzt, als bloße Objekte behandelt; ihnen werde dadurch der Wert abgesprochen, der dem Menschen um seiner selbst willen zukommt.« Es sei »schlechterdings unvorstellbar, auf der Grundlage einer gesetzlichen Ermächtigung unschuldige Menschen, die sich in einer derart hilflosen Lage befinden, vorsätzlich zu töten … Auch die Einschätzung, daß die Betroffenen ohnehin dem Tod geweiht seien, vermag der Tötung unschuldiger Menschen in der geschilderten Situation nicht den Charakter eines Verstoßes gegen den Würdeanspruch dieser Menschen zu nehmen. Menschliches Leben und menschliche Würde genießen ohne Rücksicht auf die Dauer der physischen Existenz des einzelnen Menschen gleichen verfassungsrechtlichen Schutz.«
    »Schlechterdings unvorstellbar «, las Winter noch einmal vor. »Die Richter denken wie ich: Es gibt Dinge, die moralisch unter keinen Umständen erlaubt sind. Die auf keine Situation hin relativierbar sind. Die absolut gelten. Es sind die Bedingungen menschlicher Würde. Diese Würde – sie ist das letzte Heiligtum in einer säkularen Gesellschaft.«
    Sarah sah ihn an. So etwas sagte er sonst nie.
    »Mit heilig meine ich: was unter keinen Umständen angetastet werden darf. Komme, was wolle.«
    »Stell dir vor, du sitzt in der Maschine. Du hörst, wie die Terroristen den Angriff auf das Hochhaus ankündigen. Du siehst, wie die Maschine Kurs darauf nimmt. Du bist sicher , daß es geschehen wird. Könntest du dir nicht vorstellen zu sagen: ›Okay, schießen Sie uns ab!‹«
    »Ich könnte mir vorstellen zu sagen: › Was mich betrifft : Schießen Sie! Retten Sie die Leute im Haus!‹ Es wäre dann, wie wenn ich mich in die Bahn einer Kugel würfe, um jemanden zu schützen. Aber das kann ich nur für mich sagen – ich kann es nicht auch für die anderen sagen, über ihren Kopf hinweg. Wenn ich es für mich sage, ist es eine selbständige Entscheidung, Ausdruck meiner Würde. Würde ich es über den Kopf der anderen hinweg für alle sagen, würde ich durch diese schreckliche Bevormundung ihre Würde verletzen. Im Grunde ist es ganz einfach: Wenn jemand meint, etwas tun zu müssen, was so eklatant gegen unsere Interessen und sogar unser Leben verstößt, dann muß er vor uns hintreten, es uns erklären und dann die Entscheidung respektieren.«
    »Und wenn er nicht die Gelegenheit und die Zeit hat, uns zu fragen? Reicht es, wenn er in Gedanken vor uns hintreten und die geplante Handlung begründen kann? Und wenn er darüber hinaus sehr gute Gründe hat anzunehmen, wir würden alle zustimmen – einfach weil die Sache so offensichtlich ist? Nimm an, alle anderen Passagiere kennen die Lage so wie du, und nimm an, ihr Verstand ist nicht durch Angst verdunkelt: Wärest du nicht ziemlich sicher, daß sie reagierten wie du? Sonst müßtest du ihnen ja eine ziemlich verrückte Einstellung zuschreiben: ›Mir sind meine letzten Minuten wichtiger als das Leben von Hunderten anderer.‹ Und denkst du nicht, daß diejenigen, die vorhaben zu schießen, genau darauf bauen? Und wenn das alles richtig ist: Ist es dann nicht doch vorstellbar, sie schießen zu lassen? Ist die Würde dann wirklich in Gefahr?«
    »Sie ist immer in Gefahr, wenn wir jemandem das Wichtigste nehmen, was er hat: die Autorität über sein Leben. Und diese Autorität wird den ungefragten Passagieren genommen, da kannst du sagen, was du willst. Daran ändert sich auch dann nichts, wenn wir annehmen, daß sie alle so denken würden wie ich. Und es ist nicht, weil wir nicht ganz sicher sein können, daß sie so denken. Es ist, weil man ihnen durch den stillschweigenden Abschuß die Möglichkeit nimmt, ihre Autorität auszuüben , und sei es nur für die letzten paar Minuten ihres Lebens. Im übrigen finde ich es nicht so abwegig, wenn einer nicht so dächte, wie wir das von mir angenommen haben. ›Ich möchte nicht zum Schutz von jemandem eingesetzt werden‹, mag er sagen. ›Ich möchte einfach nicht benutzt werden, auch dafür nicht.‹«
    »Er wird ja nicht eingesetzt und benutzt wie ein menschlicher Schutzschild.«
    »›Ich möchte auch nicht‹, wird er vielleicht sagen, ›daß man mich zum Schutz von irgend jemandem aus dem Weg räumt .‹«
    »Es geht nicht darum, ihn aus dem Weg zu räumen, sondern das Flugzeug .«
    »Ziemlich spitzfindig. Aber gut. Er könnte sagen: ›Ich möchte nicht, daß man meinen Tod in Kauf nimmt , um das Flugzeug aus dem Weg zu räumen. Ich möchte einfach

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