Eine begehrenswerte Lady
dass ich ihn mit kaum mehr als den Kleidern, die ich am Leib trage, heirate, aber unter diesen Umständen scheint es mir unglaublich unfair, ihm auch noch Charles’ Schulden aufzuhalsen.«
»Ah, da sind wir auch schon bei dem Grund, weswegen ich mit dir heute Abend sprechen wollte.« Er lächelte sie an. »Du wirst zu Luc nicht so arm kommen, wie du zu glauben scheinst. Ich habe dir eine hübsche kleine Summe als Mitgift ausgesetzt, und Luc und ich haben uns auf eine angemessene Versorgung für dich geeinigt.« Als sie die Brauen hochzog, fügte er hastig hinzu: »Ja, ja, ich weiß, dass du als Witwe das Recht hast, deine eigenen Entscheidungen zu treffen, aber Luc war sehr fair und großzügig. Egal, was auch passiert, du wirst nie wieder ohne Geld dastehen.«
Gillian starrte ihren Onkel an, und ihr Ärger verflog. Wie konnte sie ihm böse sein? Er war netter und großzügiger, als sie es verdiente.
»Du bist zu gut zu mir und … und ich schätze sehr, was du für mich tust, aber ich kann es nicht zulassen.«
»Du kannst mich nicht daran hindern, Mädchen. Und außerdem ist alles schon erledigt.« Er hob einen Finger. »Und ich will nichts hören wie, dass es deiner Cousine oder deinem Bruder gegenüber ungerecht sei. Ich bin ein wohlhabender Mann – wohlhabender, als die meisten Leute ahnen. Ich wollte immer dafür sorgen, dass du und Sophy und auch dein Bruder nach meinem Tod versorgt sind. Natürlich wird Stanley eines Tages High Tower erben, und ich will nicht leugnen, dass ich meine Zweifel wegen seiner Tauglichkeit hatte. Aber in den letzten Wochen hat er bewiesen, dass er einen klugen Kopf auf den Schultern hat – wenn er beschließt, ihn zu benutzen.« Er kratzte sich am Kinn. »Bis er sein Erbe antreten kann, wird hoffentlich noch einige Zeit vergehen, aber es spricht absolut nichts dagegen, dass ich euch drei jetzt schon finanziell unabhängig stelle.« Als Gillian den Mund öffnete, um ihm zu widersprechen, blickte er sie finster an. »Es ist mein Geld, und ich gebe es so aus, wie ich es will. Es ist besser, wenn ihr euch jetzt schon darüber freut, solange ich es noch miterleben kann, als wenn ihr wartet, bis ich kalt in meinem Grab liege.« Sich langsam in Erregung redend, brummte er: »Und du bist eine verdammt undankbare kleine Göre, wenn du es wagst, mir mein Geld ins Gesicht zu schleudern. Einem alten Mann das bisschen Glück zu missgönnen … daran will ich gar nicht denken.«
Ihr Herz floss über vor Liebe zu ihm, und lachend und weinend sprang Gillian auf und lief zu ihm, warf ihm die Arme um den Hals und küsste ihn auf die faltige Wange.
»O Onkel Silas! Du bist der süßeste und großzügigste Mann, den ich kenne. Ich werde versuchen, keine undankbare Göre zu sein. Danke.«
Beschwichtigt tätschelte er ihr den Arm.
»So ist es besser«, erklärte er. »Und mach dir keine Sorgen, dass du mehr bekommst als die anderen. Das ist nicht der Fall. Ihr habt alle die gleiche Summe erhalten.« Er warf ihr einen listigen Blick zu. »Natürlich habe ich den anderen noch nichts gesagt. Das will ich morgen Nachmittag nachholen, nachdem deine Hochzeit vorüber ist und wieder Ruhe einkehrt. Daher verrate bitte noch nichts.«
Sie wischte sich die Tränen ab und lächelte ihn an.
»Das wird unser Geheimnis sein.«
»Gut. Und jetzt ab ins Bett mit dir und mach dir keine Sorgen wegen dieser verflixten Schuldscheine. Wenn Luc sie kaufen muss – dann wird er das mit meinem Geld tun. Du hast keinen Grund, dich schuldig oder ihm verpflichtet zu fühlen.«
Gillian glaubte zwar nicht ganz, dass es so leicht oder so einfach werden würde, wie Silas es hinstellte, aber ihr war jetzt trotzdem leichter ums Herz und ihre Schritte waren beschwingt, als sie die Stufen zu ihrem Zimmer hinauflief.
Während Gillian in ihr Zimmer auf High Tower eilte, schlich sich ein Mann in das Zimmer von Canfield im Ram’s Head . Eigentlich hatte er gehofft, schon am Tag zuvor die Räume durchsuchen zu können, während in der Gaststube alle noch aufgeregt über Canfields Tod sprachen, aber bislang hatte sich ihm einfach noch nicht die Gelegenheit geboten. Er hatte sich den ganzen Tag Sorgen gemacht, dass jemand ihm zuvorkäme bei der Durchsuchung, aber Nolles hatte beiläufig erwähnt, dass Konstabler Ragland die Tür verschlossen und die Schlüssel eingesteckt habe, weil er die Untersuchung auf die Zeit verschieben wollte, wenn die Familie des Verstorbenen kam. Das war eine gute Neuigkeit gewesen, aber jetzt konnte er
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