Eine begehrenswerte Lady
Silas zu, »aber mir will nicht gefallen, dass so ein widerlicher Schuft ohne Strafe davonkommt.«
»Ich bezweifle, dass er das tun wird«, sagte Sophia. »Mit Menschen seines Schlages nimmt es oft ein böses Ende.«
Dem widersprach Silas nicht, und wenn es nach ihm ginge, würde es eher früher als später zu einem bösen Ende kommen … Er blickte Gillian forschend an, die ihn immer noch sorgenvoll beobachtete, und lächelte.
»Überlass ihm dein Haus, Liebes – du weißt, dass es mein größter Wunsch ist, dass ihr beide, du und Sophy, hier bei mir lebt.«
»Aber was ist mit dem Skandal, falls Canfield tratscht?«, fragte Gillian angespannt. »Bist du sicher, dass du uns hier haben willst, wenn die gute Gesellschaft vor Klatsch und Gerüchten über mich nur so schwirrt, man mir nicht nur Mord nachsagt, sondern auch noch lockere Moral?«
»Ohne Frage!«, erklärte Silas rundheraus. »Was die gute Gesellschaft angeht – mein liebes Kind, es ist lange her, dass ich mir wegen der guten Gesellschaft Sorgen gemacht habe. Lass sie nur reden! Während sie ihre Zungen wetzen, machen wir es uns hier gemütlich. Was kümmert uns ihr Geschwätz?« Er lächelte. »Ich bin ein alter Mann. Und ich würde meine letzten Tage lieber in Gesellschaft meiner Lieblingsnichten verbringen, als die Pall Mall auf und ab zu schlendern.«
Gillian musste ihre Tränen herunterschlucken.
»Oh Onkel Silas! Wir sind doch deine einzigen Nichten.«
Er lächelte breit.
»Ja, haben wir ein Glück! Wir müssen uns um niemanden sorgen als uns selbst.«
Es war beinahe eine Stunde später, bevor Meacham gerufen wurde, um die Damen in ihre Räume zurückzubringen. In dieser Stunde war viel besprochen und entschieden worden. Silas würde irgendwann am morgigen Abend, wenn Luc Joslyn zum Dinner kam, bekanntgeben, dass Gillian und Sophia dauerhaft bei ihm auf High Tower leben würden.
Silas rieb sich schadenfroh die Hände und sagte:
»Ich kann es kaum erwarten, den Ausdruck auf Canfields Gesicht zu sehen. Stanley wird vermutlich angesichts dieser Neuigkeiten schier platzen, aber solange Luc da ist, muss er sich zusammenreißen und benehmen.«
»Oder auch nicht«, warf Sophia ein. »Er und Canfield waren beide schon zu Mr. Joslyn unhöflich, und es war beileibe nicht nötig, dass Stanley unsere Privatangelegenheiten vor Mr. Joslyn ausbreitet. Was Mr. Joslyn von uns halten muss, wage ich mir nicht auszumalen.«
Silas machte eine wegwerfende Handbewegung.
»Mach dir keine Sorgen wegen Luc. Er kann viel Schlimmeres vertragen, als Stanley und Canfield ihm antun können.«
Die letzte Entscheidung hatte das Landhaus betroffen, in dem die beiden Damen lebten. Am nächsten Tag würde Silas Dienstboten zu dem Haus schicken, die alles einpacken und ihre und Sophias persönlichen Gegenstände nach High Tower bringen sollten. Die Kuh, das Schwein und die Hühner stellten kein Problem dar, sie würden auf dem High Tower angegliederten Bauernhof unterkommen.
Während sie Meacham über den Flur folgte, musste Gillian zugeben, dass es zwar sicher nicht nett von ihr war, sie aber ein Gefühl von Befriedigung nicht abstreiten konnte, wenn sie sich vorstellte, wie Canfield, wenn er seine Drohung wahr machte, das Landhaus im Gegenzug für Charles’ Schulden zu kassieren, nichts als ein leeres Haus vorfinden würde. Ihre Augen glitzerten. Wenn das Haus bis zu den Grundmauern niederbrennen würde … es war böse, so etwas zu denken, und sie schämte sich auch … allerdings nicht so sehr, wie sie es vermutlich sollte, gestand sie sich mit einem Anflug von Spott ein.
Durch die üblichen Kanäle der Gegend erfuhr auch Luc am nächsten Nachmittag von Stanleys und Canfields Besuch Donnerstagnacht im Ram’s Head . Gelangweilt und rastlos war er nach Broadhaven geritten, um sich ein paar Stunden in der Krone zu vertreiben, dem einzigen anderen Wirtshaus des Dorfes, ehe er nach Hause zurückkehrte, um sich fürs Dinner in High Tower umzukleiden.
Von Mrs. Gilbert, einer Witwe, zusammen mit ihren fünf Töchtern geführt, unterschieden sich die Krone und das Ram’s Head wie Tag und Nacht. Das Gebäude der Krone war älter und weniger auffallend, insgesamt kleiner und behaglicher als Nolles’ Wirtschaft – und ohne die lärmenden derberen Gäste, die man in dem anderen Gasthaus antraf. Vornehmlich die hart arbeitenden ehrlichen Fischer und Arbeiter der Gegend sowie die Bauern und ihre Familien bevorzugten die Krone und die Gemütlichkeit dort. Seit Barnaby in der
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