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Eine besondere Herzensangelegenheit

Eine besondere Herzensangelegenheit

Titel: Eine besondere Herzensangelegenheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Milena Mayfeldt
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aussah wie eine frisch gepuderte Wasserleiche, stöhnte ich laut auf. In diesem Moment wusste ich nicht, was schlimmer war, die Kopfschmerzen oder die Übelkeit, aber mein eigener Anblick schoss wirklich den sprichwörtlichen Vogel ab.
    Und auch wenn ich an den gestrigen Abend dachte, hatte ich gemischte Gefühle. Die Cocktails hatten mir das Hirn zwar ein wenig vernebelt, aber an das meiste erinnerte ich mich noch ganz gut – glaubte ich zumindest.
    Den Typen, der mich so penetrant angebaggert und schließlich sogar noch betatscht hatte, hatte ich noch fotorealistisch vor Augen. Ebenso wie Sebastians amüsiertes Grinsen, als er meine vergeblichen Abwehrversuche beobachtet hatte.
    Dass er mich dann aus der unangenehmen Situation befreit hat, rechnete ich ihm natürlich hoch an, und auch mit ihm zusammenzusitzen und einfach nur zu reden, hatte ich sehr genossen.
    Und dann hatte ausgerechnet ich blöde Kuh alles kaputt gemacht. Ich wusste selbst nicht, wie es dazu gekommen war, dass ich mich plötzlich so an ihn herangeschmissen hatte. Wie hatte ich mich nur so peinlich benehmen können?
    Ich stöhnte auf und schüttelte den Kopf. Irgendetwas musste der Prosecco wohl an sich gehabt haben, dass bei mir sämtliche Hemmungen gefallen waren. Oder waren es die anschließenden Cocktails gewesen? Wie auch immer, jedenfalls war es kein Wunder, dass Sebastian da eiligst die Flucht ergriffen hatte.
    Ich runzelte die Stirn. Was hatte er zum Schluss noch gesagt, kurz bevor er gegangen war? Dass ich ihn anrufen sollte?
    Auf unsicheren Füßen taperte ich durch den Flur, dessen Boden sich anfühlte, als würde ich auf wabbeligen Spiegeleiern balancieren, die bei jedem Schritt unter mir nachgaben. Auf der kleinen Kommode an der Wohnungstür fand ich tatsächlich eine Karte. Ich nahm sie in die Hand. Es war eine Visitenkarte von dem Weingroßhandel, bei dem Sebastian arbeitete.
    Sebastian Schöller, Oenologe (M.Sc.) sowie eine Telefonnummer waren auf die Vorderseite gedruckt. Und auf die Rückseite hatte er seine Handynummer geschrieben.
    Ich lief vorsichtig ins Bad zurück – bei jedem Schritt dröhnte mein Kopf, als würde mein Zahnarzt mit seinem gemeinsten Bohrer in meinem Hirn herumrühren – verzog gequält das Gesicht und warf die Karte in den kleinen Mülleimer. Nachdem ich mich so blamiert hatte, würde ich mir bestimmt nicht die Blöße geben, auch noch hinter Sebastian hinterherzutelefonieren.
     
    Gerade noch rechtzeitig kam ich eine Stunde später im Büro an.
    Karin, die vor der Tür eine Zigarette rauchte und dabei pausenlos in ihr Handy quatschte, blieb vor Schreck die Sprache weg, als sie mich sah. Mit offenem Mund starrte sie mich an.
    Anstelle meiner üblichen Bürouniform aus grauer Hose und weißer, hochgeschlossener Bluse trug ich heute einfach nur Jeans und ein rotes T-Shirt. Meine Haare hatte ich offen gelassen. Und zu allem Überfluss hatte ich auch noch eine Sonnenbrille auf der Nase, gezwungenermaßen, denn ohne die war das Tageslicht für mich einfach nicht zu ertragen – und mein Anblick für andere wohl auch nicht.
    »Mach den Mund zu, sonst kommt der ganze Rauch raus«, raunte ich Karin zu, während ich versuchte, mit möglichst sicher wirkenden Schritten an ihr vorbeizukommen. Jetzt wusste ich jedenfalls, was ich tun musste, wenn ich noch einmal jemanden zur Sprachlosigkeit bringen wollte.
    Drinnen warf mir Lina, Zinkelmanns Sekretärin, einen mitleidsvollen Blick zu.
    »War wohl eine schwere Nacht gestern?«, erkundigte sie sich, während sie genüsslich ihren Kaugummi im Mund herumwälzte.
    Anstelle einer Antwort zog ich nur eine gequälte Grimasse, machte eine abwehrende Handbewegung und verzog mich in mein Büro. Ganz entgegen meiner Gewohnheit machte ich die Tür hinter mir zu, wodurch allen Kollegen mitgeteilt wurde, dass sie mich allenfalls stören durften, wenn das Gebäude Feuer gefangen hatte oder sie mir eine Million Euro überschreiben wollten.
    Später, als ich an meinem Schreibtisch saß und über endlosen Zahlentabellen brütete, fragte ich mich zum wiederholten Mal, ob es überhaupt sinnvoll war, die Wette mit Lily fortzuführen. Der Abschluss des gestrigen Abends hatte mich so frustriert, dass ich kurz davor war, alles hinzuschmeißen. Sollte sie doch jemand anders mit ihren bescheuerten Einfällen nerven!
    Dann aber dachte ich an den restlichen Abend, den Teil zwischen der plumpen Anmachaktion und der Blamage in meiner Wohnung. Trotz des Presslufthammers in meinem Kopf lächelte

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