Eine besondere Herzensangelegenheit
vor dem Gut. Wenn du möchtest, können wir gleich los«, bot Sebastian an. Sein Tonfall war genauso unergründlich wie sein Gesichtsausdruck.
»Äh – gut, ich bin soweit. Kein Problem.«
Mir passte es zwar überhaupt nicht, die nächste halbe Stunde allein mit Sebastian im Auto zu verbringen, aber ich sah ein, dass es sicher die beste Möglichkeit war, nach Hause zu kommen. Also folgte ich ihm auf den Parkplatz zu dem blauen Audi. Ganz gentlemanlike hielt er mir die Beifahrertür auf.
Während der Fahrt sprachen wir beide kaum ein Wort. Immer wieder blickte ich zu ihm hinüber, aber er schien entweder in Gedanken versunken zu sein oder er konzentrierte sich ganz aufs Fahren.
Ein paar Mal probierte ich mehr oder weniger geschickt, ein Gespräch in Gang zu bringen, scheiterte aber kläglich. Mehr als einsilbige Antworten waren meinem Fahrer nicht zu entlocken. Irgendwann stellte ich meine Versuche ein, lehnte den Kopf nach hinten an die Kopfstütze und wartete einfach ab, dass wir bei meiner Wohnung ankamen.
Es kam mir wie mehrere Stunden vor, bis wir endlich am Ziel waren. Sebastian hielt am Straßenrand vor meinem Haus und stellte den Motor ab, sah mich jedoch nicht an, sondern starrte strikt geradeaus.
»Ja, da wären wir dann also«, meinte ich und lächelte unsicher. »Danke fürs Mitnehmen. Ich weiß nicht, wie ich sonst nach Hause gekommen wäre.«
»Keine Ursache«, erwiderte er unverbindlich. Erst als ich den Sicherheitsgurt löste und Anstalten machte, aus dem Wagen auszusteigen, blickte Sebastian zu mir herüber.
»Ich hatte gehofft, du würdest mich anrufen«, sagte er so leise, dass ich es fast nicht verstand. Umso besser hörte ich jedoch den Vorwurf heraus, der in seiner Stimme mitschwang.
Ich fühlte mich so unbehaglich, dass ich verlegen auflachte. »Vielleicht hätte ich das tun sollen, aber ehrlich gesagt war mir der Abschluss des Abends so peinlich, dass ich es nicht fertiggebracht habe.«
Jetzt wirkte Sebastian ehrlich verwirrt. Er runzelte die Stirn. »Peinlich? Weil du ein bisschen zu viel getrunken hattest? Das braucht dir doch nicht peinlich zu sein.«
Ich wand mich verlegen. »Darum geht es ja auch gar nicht, zumindest nicht direkt. Ich kann mich zwar nicht mehr ganz genau an alles erinnern, aber das meiste weiß ich noch gut – oder besser gesagt: zu gut. Peinlich war, dass ich mich so an dich herangeschmissen habe.« Ich schluckte. »Und noch peinlicher war, dass du mich abgewiesen hast. Du hast mir ziemlich deutlich zu verstehen gegeben, dass du nicht an mir interessiert bist – als Frau, meine ich.«
»Nein!«
Sebastians Widerspruch kam so schnell und nachdrücklich, dass ich erschreckt zusammenzuckte.
»Nein«, wiederholte er leiser. »Das hast du völlig missverstanden. Ich hatte doch inzwischen mitbekommen, dass du viel mehr getrunken hattest, als gut für dich war. Ich habe mir sogar noch Vorwürfe gemacht, weil ich dir immer wieder alkoholische Cocktails geholt habe, anstatt auf alkoholfreie umzusteigen. Jedenfalls, so wie ich dich an dem Abend kennengelernt habe, bin ich davon ausgegangen, dass es nur am Alkohol lag, wie du dich benommen hast. Normalerweise hättest du mir doch nie so ein Angebot gemacht, wenn der Prosecco und die Cocktails nicht gewesen wären. Ich wollte deine Situation nicht ausnutzen, verstehst du? Ich wäre mir total schäbig vorgekommen.«
In meinem Gehirn rasten die Gedanken um die Wette. War ich einfach zu blöd, um zu verstehen, was wirklich passiert war? Konnte das sein? War das alles nur ein Missverständnis gewesen?
»Heißt das, wenn ich nüchtern gewesen wäre, wärst du geblieben?«, stammelte ich heiser.
Anstelle einer Antwort hob Sebastian mein Kinn leicht an, beugte sich zu mir herüber und küsste mich. Sanft und lange.
»Willst du jetzt auch noch, dass ich bleibe?«, fragte er leise, als sich unsere Lippen wieder voneinander gelöst hatten.
Ich konnte nicht antworten. Ich war einfach nicht in der Lage, auch nur ein einziges Wort herauszubringen.
Deshalb nickte ich nur.
Kapitel 17
Der erste schwache Lichtschimmer fiel durch das Fenster in mein Schlafzimmer, als ich am nächsten Morgen aufwachte. Einen Augenblick lang musste ich mich erst orientieren. Ich lag in meinem eigenen Bett, soviel stand fest. Aber trotzdem war irgendetwas anders. Vielleicht lag es daran, dass ich kein Nachthemd trug. Normalerweise schlief ich jedenfalls nicht nackt.
Vorsichtig drehte ich mich um – und sah direkt in Sebastians Gesicht. Zum
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