Eine betoerende Schoenheit
leiten lassen. „Du hast gesagt, du seist bei meinem Vortrag in Harvard gewesen“, hörte er sich selbst sagen. „Warum bist du danach nicht zu mir gekommen und hast meine falschen Annahmen richtig gestellt?“
Sie kratzte mit den Borsten einer Bürste über die kleinen, scharfen Zähne im Schädel. „Ich hätte die schmerzhaftesten Einzelheiten meines Lebens kaum mit einem Fremden teilen können, der mich so kaltherzig abgeurteilt hatte.“
Natürlich nicht.
„Also hast du dich stattdessen entschlossen, mich zu bestrafen.“
Sie holte tief Luft. „Also habe ich mich stattdessen entschlossen, dich zu betrafen.“
Er fasste seine Reitgerte fester. Einen Moment lang schien es, als wolle er etwas sagen, er neigte jedoch nur den Kopf und ging. Er band sein Pferd los, ritt die Rampe hinauf und verschwand außer Sichtweite.
Venetia biss sich auf die Unterlippe. Sie war noch immer von ihrer nächtlichen Unterhaltung aufgewühlt, in der sie ihm tatsächlich die schmerzhaftesten Einzelheiten ihres Lebens erzählt und er darauf in keiner Weise reagiert hatte.
Andererseits hatte er ihr auch sein bestgehütetes Geheimnis offenbart, und sie hatte es ihm ins Gesicht geschleudert – in seinen Augen auch noch mit großer Schadenfreude.
Sie setzte sich auf einen hart gewordenen Erdklumpen, um sich auszuruhen. Nach einem Weilchen wollte sie Hammer und Meißel wieder aufnehmen, um das Skelett an den Rändern weiter freizulegen. Doch ihr taten die Arme weh, und jeder Schlag mit dem Hammer hatte Schmerzen in ihren Gelenken verursacht. Sie hatte lange nicht mehr gegraben: Damals hatte sie die unerschöpfliche Kraft der Jugend gehabt und keine Schmerzen gekannt. Nun war sie eine werdende Mutter, die schlecht geschlafen hatte.
Es war gescheiter, sich auf den Weg zurück zum Haus zu machen. Sie hatte sich auf ihren Ausflug vorbereitet und eine Flasche Tee und ein belegtes Brot eingepackt. Das belegte Brot war bereits verschwunden. Sie hatte es auf dem Weg gegessen, da es länger gedauert hatte, den Steinbruch zu finden, als sie erwartet hatte. Die Flasche war auch fast leer. Der Tag war schnell warm geworden.
Sie würde in der Hitze durstig nach Hause laufen müssen.
Das Geräusch von Hufschlag und Rädern. Sie wirbelte in der Hoffnung herum, Christian zu sehen. Es war jedoch nur Wells, der Wildhüter, in einem zweirädrigen Wagen, den ein Clydesdale zog.
„Brauchen Sie eine Mitfahrgelegenheit zum Haus, Ma‘am?“, fragte Wells.
Venetia war überrascht und erleichtert. „Ja. Danke.“
Wells brachte den Eimer voller Werkzeuge zurück in die Hütte, während sie die Rampe zum Wagen hinaufstieg.
„Sind Sie zufällig vorbeigekommen?“, fragte sie, nachdem er ihr auf den hohen Sitz geholfen hatte. Gerald hatte ihr erzählt, das Häuschen des Wildhüters sei nicht weit entfernt.
„Nein, Ma‘am. Seine Gnaden kam vorbei und sagte, ich solle Ihnen zur Verfügung zu stehen. Er bat meine Frau auch um Tee und ein paar Kekse für Sie.“
Wells reichte ihr einen Korb, der von einem großen Tuch bedeckt wurde. Sie aß einen Keks. Er schmeckte nach Zitrone. „Das ist sehr nett von Ihnen und Mrs Wells.“
Noch netter war, dass Christian eine Fahrgelegenheit und eine Erfrischung organisiert hatte, sogar noch bevor sie ihren Wunsch danach erkannt hatte.
Sie konnte es kaum noch erwarten, ihn wiederzusehen. Genug von der Großen Schönheit. Genug von ihrem Hochmut. Genug auch davon, dass er sich über ihre aussichtslose Situation ärgerte. Er war die Liebe ihres Lebens. Es war an der Zeit, ihn endlich so zu behandeln.
„Würde es Ihnen etwas ausmachen, sich ein bisschen zu beeilen?“, fragte sie Wells, der so langsam fuhr, als ob es sich bei dem Wagen um die Kutsche der Königin während des Thronjubiläums handelte.
„Seine Gnaden sagte, ich solle langsam und vorsichtig fahren, um Sie nicht so durchzurütteln, Ma’am.“
„Das ist sehr liebenswert von Seiner Gnaden, aber ich habe keine Angst davor, durchgerüttelt zu werden. Schneller, bitte.“
Der Clydesdale fiel von einem langsamen Schritt in einen etwas kraftvolleren, doch Wells weigerte sich, das Tier weiter anzutreiben. Venetia wartete ungeduldig darauf, dass das Haus in Sichtweite kam. Als sie an der Vordertreppe ankamen, dankte sie Wells und hastete hinein.
„Wo ist der Herzog?“, fragte sie den Ersten, der ihr über den Weg lief, wobei es sich zufällig um Richards handelte.
Richards schien über die Frage erstaunt zu sein. „Seine Gnaden ist nach London
Weitere Kostenlose Bücher