Eine betoerende Schoenheit
mit einem spöttischen Grinsen um, jetzt wieder ganz der Casanova. „Falls Sie neugierig sind, mein Angebot steht noch.“
„Mein lieber Junge“, sagte die Dowager Duchess of Lexington, die mit Christian nach London gereist war.
„Den Ton kenne ich, Stiefmama“, entgegnete er vom Fenster aus. „Dir ist ein besonders pikantes Stück Klatsch zu Ohren gekommen.“
Kinder liefen durch den kleinen Park auf der anderen Straßenseite, ließen Drachen steigen, fütterten Enten und spielten Verstecken. Es gelang einem Jungen, seinem Kindermädchen lange genug zu entwischen, um ein Pferd, das vor eine in der Nähe stehende Droschke gespannt war, mit einem Apfel zu füttern.
„Es handelt sich dabei auch noch um ein Gerücht der seltensten Sorte: Es betrifft dich.“
„Verstehe.“ Zu hoffen, dass es nicht die Runde machte, ehe er sich der Hand seiner Liebsten ganz sicher sein konnte, wäre zu viel des Guten gewesen.
Das Kindermädchen des Jungen schimpfte und zog seine Hand weg vom Fell des Pferdes, zweifellos warnte sie ihn dabei vor Flöhen und anderem Ungeziefer, das sich mit Sicherheit auf einem Tier tummelte. Bewegte sich der Vorhang am Fenster der Droschke? Der Kutscher, der seine Zeitung fertig gelesen hatte, zog nun etwas aus seinem Mantel, das aussah wie ein zerknittertes Groschenheft.
„Seit wir heute Morgen in London angekommen sind, habe ich nicht eine, nicht zwei, sondern drei verschiedene Nachrichten erhalten, die von einer leidenschaftlichen Affäre berichten, die du während deiner Überfahrt hattest. Vor aller Augen.“
Endlich konnte er über sie sprechen. „Ja, es ist wahr. Alles.“
Umfassten behandschuhte Finger die Ränder des Vorhanges in der Droschke?
„Sicher nicht alles. Einige Gerüchte besagen, du hättest sie geheiratet.“
Er drehte sich um. „Das nicht. Nicht dass ich es nicht versucht hätte.“
Seine Stiefmutter, die gerade dabei gewesen war, das Tulpengesteck auf dem Konsolentisch umzudekorieren, hielt inne. Sie drehte sich um – eine hübsche Frau Anfang vierzig, nur dreizehn Jahre älter als Christian. Doch statt unüberlegt etwas zu sagen, setzte sie sich auf einen seiner Stühle im Stil Ludwig XIV. und zupfte angelegentlich ihre Röcke zurecht. „Du hast ihr einen Antrag gemacht?“
„Ja.“
„Du hast kein Wort darüber verloren.“
„Die Situation gestaltet sich schwierig. Ich wollte nicht, dass du dir Sorgen machst.“
„Du dachtest, ich mache mir weniger Sorgen, wenn ich auf diese Weise davon erfahre?“
Er senkte den Kopf, um ihr zu bedeuten, dass er den Tadel in ihrem Tonfall gehört hatte. „Ich bitte um Entschuldigung.“
„Was, bitte schön, ist so kompliziert an der Situation? Wenn der Duke of Lexington einen Heiratsantrag macht, nimmt die freudestrahlende Dame ihn an. So einfach ist das.“
Wenn es nur so einfach gewesen wäre. „Sie ist unter einem Decknamen gereist.“
Sobald er englischen Boden betreten hatte, hatte er ein Treffen mit jemandem, der sich mit deutschem Adel auskannte, in die Wege geleitet. Die Seidlitz waren eine namhafte preußische Familie. Die Hardenbergs waren ein schlesisches Adelsgeschlecht. Es gab aber keinen Vermerk über einen Baron von Seidlitz-Hardenberg – und somit auch keine einzige Baronin von Seidlitz-Hardenberg.
So viel zu der klitzekleinen Chance, dass sie ihren richtigen Namen verwendet hatte – und dass er sie finden konnte, ohne den gesamten Kontinent auf den Kopf zu stellen.
Die Witwe des Herzogs atmete tief durch die Nase ein. „Ein Deckname?“
„Ich habe außerdem nie ihr Gesicht gesehen.“
Sie blinzelte überrascht.
„Wie ich schon sagte, es ist recht kompliziert.“
„Wirklich, Christian.“ Sie tippte mit den Fingern auf die Armlehne des Stuhls. „Zu Hause warten Hunderte hervorragend geeigneter junger Damen, und du machst einer Frau einen Antrag, die du nicht mal erkennen würdest, wenn du auf der Straße an ihr vorbeigehen würdest?“
„Ich liebe sie.“ Diese Begründung hätte genügen müssen, doch sie klang in Anbetracht der zahlreichen Unbekannten in der Gleichung irgendwie unzureichend. „Du wirst sie in dein Herz schließen – sie macht aus mir einen ganzen Menschen.“
Ihre Gnaden war nicht überzeugt. „Ich würde sie gerne treffen und das selbst beurteilen.“
„Ich werde dafür sorgen, sobald ich sie überzeugt habe, meinen Antrag anzunehmen.“
„Wie schnell wird dir das gelingen?“
„An meinem Geburtstag, hoffe ich. Sie hat zugestimmt, mich zum
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