Eine Braut für alle
in modernen Zeiten, Doktor. Ich ermutige sogar meine Offiziere, mit den Passagieren zu trinken.»
«Bringt die Geselligkeit ausgezeichnet in Schwung, Sir.»
«Und alleinreisenden jungen Damen kleine Aufmerksamkeiten zu erweisen.»
Ich nickte. «Sonst wären auch die armen Dinger schrecklich einsam.»
«Wir müssen unterwegs für unser eigenes Vergnügen sorgen, wissen Sie. Mögen Sie Bingo, Doktor? Sie können, wenn Sie wollen, die Nummern ausrufen. Dr. O’Rory hat’s getan, war auch dabei recht witzig, bis er in letzter Zeit gegenüber den Damen die Grenzen der Schicklichkeit leicht zu überschreiten begann.» Wir tauschten einen Händedruck. «Ich bin überzeugt, Doktor, unsere kommende Fahrt wird ganz besonders angenehm verlaufen.»
«Ohne jeden Zweifel», stimmte ich voll Wärme zu.
Und so erklomm ich am nächsten Freitagmorgen die Gangway der Capricorn Queen im Glanz so vieler goldener Tressen wie der Bursche, der vor dem Warenhaus Fortnum die Taxis heranwinkt.
Die Capricorn Queen war ein großes weißes schmuckes Ding, sozusagen ein Hochzeitskuchen mit Bullaugen; da sie jedoch in den Tilbury Docks vor Anker lag, hatte ich während des Wochenendes nicht viel anderes zu tun als auf dem Sofa zu sitzen, das die eine Seite meiner Kabine entlanglief wie die Sitzbank in einem Zugabteil zweiter Klasse, zollfreie Zigaretten zu rauchen und Lord Hornblower zu lesen.
Ophelia gegenüber hatte ich kein Wort darüber verlauten lassen, daß ich an Bord sein würde; ich fand, es würde eine nette Überraschung für sie sein. Überdies hätte sie sich am Ende entschließen können, zu Hause zu bleiben, sobald sie erfaßt haben würde, daß wir den guten Basil in Blackport so gut wie ausgesetzt hatten. Ich war natürlich ein schrecklich gemeiner Kerl, daß ich hinter dem Rücken des Armen so hurtig über die Gangway meinen Freuden entgegeneilte. Doch der Gedanke an all die tropischen Mondscheinnächte, die mich erwarteten, fegte meine Bedenken ins Unterbewußtsein zurück, ja, fast wandelte mich die Lust an, auf dem Deck ein paar Luftsprünge zu machen.
Ich verbrachte einige recht ungeduldige Tage bis zum Augenblick, da man ein Streichholz unter die Schiffskessel hielt und wir mit einigem Trubel zur Landungsstelle hinüberfuhren; dort wurden die Passagiere von jenen Organen zugelassen, die Pässe behandeln, als wären sie Weihnachtskarten aus dem Isolierspital. Man kann sich vorstellen, wie sehr ich vor freudiger Erregung zappelte, vor allem in dem Moment, als ich Ophelias Beine auf einer Kajütentreppe zu entdecken glaubte. Ich hatte den Chefsteward gebeten, ihr einen Riesenstrauß Rosen in die Kabine zu stellen; ein kleines beigelegtes Billett lud sie in schlichten Worten um sechs Uhr zu einem Cocktail beim Schiffsarzt ein. Ich konnte es kaum erwarten, ihr Gesicht zu sehen, wenn sie meine Kabinentür öffnete und mich beim Mixen ihres ersten Martini erblickte.
Und schon waren wir, mittwegs zwischen Plumstead Marshes und Barking Creek, auf unserer Route nach Südamerika. Ich wechselte meinen Kragen und polierte meine Messingknöpfe. Es schlug sechs. Ich saß auf der Kante des Sofas und malte mir aus, was Ophelia sagen würde.
Als es soweit war, fiel sie fast in Ohnmacht.
«Gaston!» kreischte sie auf. «Was um alles in der Welt hast du hier zu suchen?»
Ich verbeugte mich und küßte ihre Hand.
«Es heißt dich dein ergebener Mitreisender willkommen.»
«Aber du bist doch kein Seemann!»
«Doch!» korrigierte ich sie. «Augenblicklich im selben Maße wie Nelson oder der gute alte Noah. Ich bin der amtlich eingesetzte Schiffsarzt.»
«Aber - aber weswegen denn, um Gottes willen?»
«Ophelia, Süßeste», erklärte ich ihr schlicht, «deinetwegen.»
«Meinetwegen? Was meinst du damit, heiliger Strohsack? Wie kannst du dich unterstehen -»
Ich küßte abermals ihre Hand.
«Deinetwegen», wiederholte ich, «habe ich den rauhen und unsicheren Beruf des Seemanns ergriffen -»
«Du mußt rein verrückt sein!»
«O nein, mitnichten, Ophelia!» Ich begann sie zum Sofa zu drängen. «Ich bin nicht im geringsten verrückt. Stell dir nur vor, drei selige Wochen lang werden du und ich vollkommen allein sein — abgesehen natürlich von den übrigen Passagieren.»
Ich faßte neuerlich nach ihrer Hand.
«In der intimen Abgeschlossenheit des Lebens an Bord», fuhr ich, mich erwärmend, fort, «wirst du, liebes Mädchen, Gelegenheit haben, mich nach und nach besser kennenzulernen. Vielleicht kennst du mich jetzt schon
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