Eine Braut fuer Lord Sandiford
gebracht hatte. Die beigefügte Karte von Leutnant Standish enthielt nur zwei Worte: "Vielen Dank." Diese Worte bedeckten in großen Buchstaben die ganze Karte.
Anscheinend hatte die Nachricht von Lady Barbara, die Maddie für sie abgegeben hatte, ihre Wirkung getan. Clarissa freute sich aus ganzem Herzen für die beiden. Als sie daran dachte, wie beleidigt die Countess of Wetherford reagieren würde, wenn sie erfuhr, dass man sie übergangen hatte, verstärkte sich ihre Befriedigung noch.
Auf einmal verspürte sie wieder eine Traurigkeit, die sie wie eine Woge mit sich zu reißen drohte. Sie durfte auf keinen Fall an all die Gründe denken, die für diese trübe Stimmung verantwortlich waren.
Maddie trat nach einem kurzen Klopfen ein. Ihr weiches braunes Haar war größtenteils von einer weißen Haube verdeckt, und das graue Kleid war bis zum Kinn zugeknöpft. "Ihre Pferde stehen bereit, Herrin."
"Danke, Maddie. Sag Stebbins bitte, dass ich gleich komme", antwortete Clarissa dem Mädchen, das sie bewundernd betrachtete. Wenigstens ein Mensch hielt noch etwas von ihr.
Maddie schien sich tatsächlich immer gerade im Korridor aufzuhalten, wenn ihre Herrin vorbeiging. Sie wollte ihr wohl jederzeit zur Verfügung stehen, auch wenn die Erledigung von Besorgungen gar nicht zu den Aufgaben eines Hausmädchens gehörte.
Allerdings vernachlässigte Maddie dabei keineswegs ihre eigentlichen Pflichten – ganz im Gegenteil. Clarissa hatte zu ihrer Freude festgestellt, dass das Mädchen sehr hart arbeitete. Und Mrs. Woburn hatte sich innerhalb einer Woche von einer widerstrebenden Ausbilderin zu einer warmherzigen Fürsprecherin der neuen Bediensteten gewandelt. Sie lobte Maddie des Öfteren und entschuldigte sich sogar bei ihrer Herrin dafür, sich anfangs so widerwillig gezeigt zu haben.
Maddies hübsches Gesicht und ihre schlanke Figur stachen auch dem männlichen Personal des Hauses ins Auge. Obgleich sie jedem Mann tunlichst aus dem Weg ging, hoffte Clarissa, dass eines Tages eine glückliche Zukunft mit Verlobung und Heirat doch noch Wirklichkeit für das Mädchen werden konnte.
Ein weiterer Erfolg. Wenn doch nur ihr eigenes Abenteuer auch einen so guten Ausgang nehmen würde! Clarissas vorübergehende Hochstimmung sank sogleich wieder.
"Wünschen Sie noch etwas, Madam?"
Sie musste sich aus dieser Verzweiflung befreien, die sie endgültig befallen hatte, seitdem der Oberst aus dem Haus gestürmt war.
Dabei redete sie sich schon die ganze Zeit über Mut zu. Doch tatsächlich hatte sie noch am selben Abend einen Ball bei Lady Carleton wegen Kopfschmerzen abgesagt. Die Vorstellung, stundenlang lächeln, tanzen und plaudern zu müssen, war ihr unerträglich erschienen, und so war sie lieber zu Hause geblieben. Am nächsten Abend zwang sich Clarissa zwar dazu, zu Mrs. Wendfrows Hauskonzert zu gehen; doch sie lehnte ab, als die Gastgeberin sie danach auch noch zu Erfrischung und Kartenspiel bat. Am heutigen Nachmittag hatte sie keine Besucher empfangen und war auch nicht in der Stimmung gewesen, mit ihrem Zweispänner durch den Park zu fahren – selbst wenn das ihre Dienerschaft angenommen hatte.
Clarissa erklärte sich ihre Lustlosigkeit damit, dass sie noch immer zu verwirrt war. Denn schließlich benötigte man bei einem so hohen Zweispänner und zwei lebhaften Pferden höchste Konzentration.
Wahrscheinlich würden sich die Leute schon bald wundern, weshalb Miss Beaumont in letzter Zeit so viele gesellschaftliche Ereignisse versäumte. Doch das war ihr ganz gleichgültig. Sollten sie sich doch den Mund zerreißen. Nur einer kannte schließlich den Grund für ihre plötzliche Zurückhaltung, und er würde bestimmt nichts verlauten lassen. Dessen war sich Clarissa sicher, auch wenn sie ihm gegenüber das Gegenteil behauptet hatte.
Allein der Gedanke an ihn brach ihr fast das Herz und ließ ihr Tränen in die Augen steigen.
Nein, sie wollte sich nicht länger in ihrem Zimmer verstecken und wie eine schwache Frau schluchzend auf dem Bett liegen. Clarissa Beaumont vermochte es, die tausend Stücke, in die ihr Herz zersprungen war, aufzusammeln und sich der Welt wieder gefasst und stolz zu zeigen.
"Herrin? Ist alles in Ordnung?"
Maddies besorgte Stimme unterbrach sie in ihrem Gedankengang. Clarissa wischte sich die Feuchtigkeit aus den Augenwinkeln und richtete sich auf. "Ja, danke, Maddie. Es geht mir gut."
Sie wollte ausgehen, sich aber nicht unter die albernen Leute mischen, die sich im Hyde Park zur Schau
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