Eine Braut fuer Lord Sandiford
Bescheid."
Englemere ging aus dem Salon und bat Sandiford mit einer kurzen Verbeugung, ihm zu folgen.
"Oberst", brachte Clarissa mühsam hervor. Auch wenn es ihr gar nicht behagte, noch einmal die Aufmerksamkeit auf ihre Torheit lenken zu müssen, so sah sie es doch als ihre Pflicht an, ihm für seine Ritterlichkeit zu danken. "Ich stehe tief in Ihrer Schuld. Dessen bin ich mir bewusst …"
Zu ihrer Verblüffung legte er ihr einen Finger auf die Lippen. "Sie müssen nichts mehr sagen. Wenn ich Sie, wie versprochen, nach Hause begleitet hätte, wäre das Ganze wohl kaum geschehen; es ist also zum Teil auch meine Schuld. Erholen Sie sich jetzt und schlafen Sie. Gute Nacht, Becky."
Er lächelte Clarissa noch einmal zu, so dass sich ihre gedrückte Stimmung für einen Moment hob. Sie sah ihm nach, bis er die Tür des Salons hinter sich zuzog.
Wenn Oberst Sandiford es ihr nicht bereits früher am Abend gesagt hätte, dann wusste sie es spätestens jetzt. Sie musste sich keine Gedanken darüber machen, wie sie die unangenehme Situation bei ihrem nächsten Wiedersehen durchstehen sollte. Es würde kein Wiedersehen geben, denn er würde ihr zweifellos aus dem Weg gehen.
Es musste an der Nachwirkung des Schreckens liegen, den sie heute Abend erlebt hatte, dass der Salon auf einmal kälter wirkte und sie ein seltsames Gefühl des Verlustes überkam.
7. Kapitel
Am nächsten Nachmittag lenkte Sandiford sein Pferd Valiant den geschäftigen Berkeley Square in Richtung Piccadilly hinunter. Bevor er am Abend Englemeres Haus verlassen hatte, dankte Nicholas ihm noch einmal für seine große Hilfe und lud ihn zu einem Treffen im "White's Club" ein, wo sie über Sandifords augenblickliche Bedürfnisse, wie er das nannte, sprechen konnten.
Am südlichen Ende des Platzes zögerte er. Der starke Wunsch überkam ihn, zur Curzon Street zu reiten und bei Becky nachzufragen, wie es um Miss Beaumonts Verletzung stand. Wenn die junge Dame nicht mehr im Bett lag, konnte er sich vielleicht sogar bei ihr entschuldigen, wie er es ja ursprünglich vorgehabt hatte. Auch wenn er ihr am gestrigen Abend tatsächlich hatte behilflich sein können, so schuldete er ihr doch noch eine Erklärung, was sein unhöfliches Verhalten auf dem Ball betraf. Noch immer quälte ihn das unangenehme Gefühl, dass er seinen Teil zu ihrem furchtbaren Erlebnis beigetragen hatte.
Unsinn! schalt er sich dann. Er konnte schließlich dieses Mädchen nicht davon abhalten, auf die Nase zu fallen, wenn sie so töricht war, solch dummen Männern wie Grenville und so giftigen wie Weston auf den Leim zu gehen. Sandiford sah das widerliche Gesicht Westons vor sich. Eine Dame ihres Standes zu etwas so Gefährlichem zu überreden, das war unverzeihlich – ganz gleich, welche Verantwortung Miss Beaumont selbst trug, die sich auf so etwas eingelassen hatte. Er musste mit Lord John wahrhaftig ein Hühnchen rupfen.
Die ganze Angelegenheit hatte Sandiford erneut vor Augen geführt, wie Recht er mit seiner Entscheidung hatte, den Stand, dem Clarissa angehörte, bei seiner Suche nach einer Gattin auszuschließen. Allerdings musste er zugeben, dass sich Miss Beaumont nach dem Angriff ausgesprochen bewundernswert verhalten hatte – auch wenn ihn der Hochmut und die Ignoranz, die sie in diese Lage gebracht hatten, zutiefst ärgerten.
Er musste an Alexanders Angebetete denken, die zerbrechliche Lady Barbara. Sie flüchtete bereits, wenn ihre Mutter aufkreuzte, und wäre vermutlich in Ohnmacht gefallen, wenn der Schurke sie auch nur berührt hätte. Miss Beaumont jedoch hatte geschrien und es sogar geschafft, sich von dem Kerl loszureißen. Er musste ihren Mut tatsächlich bewundern; schließlich war sie sogar verletzt worden.
Auch die Stärke, mit der sie die sicherlich schmerzhafte Wunde ertragen hatte, verdiente seine Hochachtung. Wenn er sie nicht zufällig an der Schulter berührt hätte, wäre sie höchstwahrscheinlich nach Hause zurückgekehrt, ohne irgendjemand die Verletzung zu offenbaren.
Auch wenn sie später doch zusammengebrochen war, so machte er ihr das keineswegs zum Vorwurf. Sandiford hatte harte Soldaten erlebt, die nach einer Schlacht in Tränen ausgebrochen waren. Miss Beaumont hatte sich sogar alles in allem erstaunlich im Griff gehabt, wenn er sich den Schrecken vor Augen führte, den sie durchlebt hatte. Er kannte nur eine Frau, die sich ebenso tapfer verhalten hätte.
Trotz ihrer Fehler war sie durchaus ein beachtenswertes Mädchen, die sicher eine gute
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