Eine Braut muss her!
Der Kammerdiener hatte entschieden zu viel getrunken und war eindeutig nicht mehr ganz Herr seiner Sinne. Arthur beschloss, sich dessen Verfassung zunutze zu machen und ihn auszuhorchen, um auf diese Weise etwas zu erfahren, das für ihn von Wert sein konnte.
“Ich kann gut verstehen, dass Sie keine Lust mehr haben, auf dem Land zu wohnen”, begann er das Gespräch. “Wahrscheinlich waren Sie nicht erbaut darüber, mit Lord Hadleigh auf Wunsch von dessen Vater herkommen zu müssen.”
“Wie recht Sie haben”, erwiderte Pickering mit schwerer Zunge. “Aber Sie irren sich, wenn Sie denken, Seine Lordschaft sei von seinem Vater hergeschickt worden. Im Gegenteil! Der Earl hat ihm strikt untersagt, hierher zu fahren. Seine Lordschaft hat sich jedoch zu meiner Überraschung nicht an den Befehl gehalten und ist ohne Wissen seines Vaters hergekommen.”
Im ersten Moment war Arthur sprachlos. Diese Neuigkeit stand in krassem Gegensatz zu dem Anschein, den Lord Hadleigh bei seiner Ankunft erweckt hatte.
“Der Earl hat wirklich keine Ahnung, dass sein Sohn hier ist?”, fragte Arthur schließlich verblüfft.
“Nein.”
Der Groll gegen den Viscount wurde noch stärker. Vor allem ärgerte Arthur sich darüber, dass er sich von Lord Hadleigh hatte düpieren und unterdrücken lassen. Hätte er gewusst, wie die Dinge in Wirklichkeit lagen, wäre er nicht so gefügig gewesen. Der Viscount hatte eigenmächtig gehandelt und sich dann aufgeführt, als sei er der Herr von Eddington Court.
“Wissen Sie zufällig, Mr Pickering, warum Seine Lordschaft hergekommen ist?” erkundigte Arthur sich beiläufig.
“Ich habe nur am Rande erfahren, dass er der Meinung war, er müsse hier nach dem Rechten sehen, weil er glaubte …”
“Was hat er geglaubt?” Neugierig starrte Arthur den Kammerdiener an, sah ihn zu seinem Schreck die Augen schließen und den Kopf auf die vor sich verschränkten Arme legen. “Mr Pickering, was hat Lord Hadleigh geglaubt?”, fragte er noch einmal sehr eindringlich, erhielt jedoch auch jetzt keine Antwort. “Der Trottel ist eingeschlafen”, murrte er. “Komm, Peter, und hilf mir, ihn in sein Bett zu schaffen. Danach möchte ich mit dir reden.”
Peter stand auf, fasste den Kammerdiener unter den Achseln und wartete, bis Arthur diesen an den Beinen ergriffen hatte. Dann trug man den fest Schlafenden in seine Kammer, legte ihn unsanft auf sein Lager und verließ den Raum.
“Ich möchte, dass du niemandem erzählst, was Mr Pickering uns vorhin verraten hat”, sagte Arthur leise auf dem Weg zum Aufenthaltsraum.
“Warum nicht?”, wunderte sich Peter.
“Ich habe einen Plan und möchte nicht, dass er von deiner Seite durch eine unvorsichtige Äußerung gefährdet wird”, antwortete Arthur ausweichend. “Wenn alles so verläuft, wie ich es mir vorstelle, werden wir bald gemachte Leute sein.”
11. KAPITEL
Der Herbst hatte begonnen, und das Laub verfärbte sich. Jack Chancellor, Earl of Bretford, saß in seinem Arbeitszimmer und war wütend auf Russell, weil er seit mehr als einem Vierteljahr nichts mehr von ihm gehört hatte. Zu seinem größten Ärger hatte er erfahren müssen, dass Miss Markham erst mit Horsham verlobt worden und dann mit Mr Bertram verschwunden war. Immer wieder hatte er sich gefragt, warum sein Ältester seiner Anweisung, um Miss Markhams Hand anzuhalten, nicht gefolgt war.
Er konnte nicht begreifen, dass Russell sich nicht bei ihm meldete, und überlegte, wo der Sohn sein mochte. Vor allem war ihm unerklärlich, wovon Russell lebte. Nicht zum ersten Mal kam ihm der Gedanke, sein Erbe könne auf einer Reise überfallen und getötet worden sein.
Aber wenn Russell noch lebte, war es eine Dreistigkeit sondergleichen, nichts von sich hören zu lassen. Er hätte umgehend nach dem Aufenthalt bei Sir Godfrey nach Haus kommen und erläutern müssen, warum er sich nicht mit Miss Markham verlobt hatte. Da das Kind jedoch bereits in den Brunnen gefallen war, hätte er umgehend eine andere Dame für Russell auserkoren und ihm befohlen, sich um sie zu bemühen.
Russell war ein Versager, ganz im Gegensatz zu seinem Bruder, der eine gute Partie gemacht und bereits einen Sohn hatte. Erneut bedauerte Jack, dass nicht Richard der Erstgeborene war.
Plötzlich fragte er sich, ob Richard wissen könne, wo Russell sich aufhielt, und beschloss, ihm einen Besuch auf Liscombe Manor abzustatten.
Überrascht schaute Richard von den Unterlagen auf, die Watts ihm zur Unterschrift vorgelegt
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