Eine Braut muss her!
in der Russell und seine Verlobte sich befanden. Lediglich der Umstand, dass durch die anhaltende Nässe die Ernte gefährdet wurde, war für Russell ein Grund zur Sorge. Auf den wohlmeinenden Rat eines benachbarten Gutsbesitzers hin kaufte er mit einem Teil der aus den Pachten erzielten Überschüsse Schafe, um die Bewirtschaftung des Gutes mehr und mehr auf die Haltung von Nutzvieh umzustellen.
Eines Morgens, bevor Russell zum Frühstück ging, hatte er den Eindruck, dass sein Kammerdiener mürrischer als sonst war. “Welche Laus ist Ihnen über die Leber gelaufen?” erkundigte er sich lächelnd.
“Wenn Sie gestatten, Mylord, möchte ich in einer persönlichen Angelegenheit mit Ihnen sprechen”, antwortete Pickering ernst.
Erstaunt über den steifen Ton schaute Russell den Diener an. “Was haben Sie auf dem Herzen?”, fragte er freundlich.
“Ich will keine Umschweife machen, Sir”, sagte Pickering ruhig. “Sie wissen, dass ich mich auf dem Land nicht wohlfühle. Daher möchte ich Sie bitten, mich aus dem Dienst zu entlassen. Es wäre mir lieb, wenn ich so schnell wie möglich nach London zurückreisen kann.”
“Sie scherzen, Pickering!”, erwiderte Russell verblüfft.
“Nein, Mylord.”
“Sie wollen mich wirklich verlassen?”
“Ja, Sir. Ich habe immer in London gelebt. Alle meine Verwandten und Freunde wohnen dort, und ich vermisse sie. Für Sie wird es ein Leichtes sein, einen geeigneten Nachfolger für mich zu finden. Sie können Langton zu ihrem Kammerdiener ernennen. Wie ich hörte, war er bereits in dieser Stellung bei einer Herrschaft tätig.”
“Ich weiß nicht, was ich dazu sagen soll”, murmelte Russell irritiert.
“Bitte, verstehen Sie mich, Sir”, fuhr Pickering eindringlich fort. “Ich habe sehr gern für Sie gearbeitet, vermisse jedoch das Leben in London und möchte nicht auf dem Land alt und grau werden. Bei mir ist jedoch der Eindruck entstanden, dass Sie nicht die Absicht haben, Eddington Court in absehbarer Zeit zu verlassen.”
“Nun, wenn Sie so darauf bestehen, Pickering, mich im Stich zu lassen, dann werde ich Sie nicht daran hindern. Reisende soll man bekanntlich nicht aufhalten”, fügte Russell scherzhaft hinzu. “Wann möchten Sie fort?”
“Wenn es Ihnen recht ist, Sir, würde ich gern Ende nächster Woche fahren.”
“Natürlich ist mir das nicht recht, aber ich werde Sie nicht zwingen, länger bei mir zu bleiben. Glauben Sie mir, Sie werden mir sehr fehlen. Ich war stets mit Ihnen zufrieden und werde Ihnen ein glänzendes Zeugnis ausstellen.”
“Danke, Mylord”, sagte Pickering erleichtert und verbeugte sich. “Ich wusste, dass Sie Verständnis haben würden.”
“Nun, ich wünsche Ihnen viel Glück für Ihre Zukunft”, erwiderte Russell, verließ den Ankleideraum und dachte auf dem Weg ins Speisezimmer daran, dass Richard, wüsste er, dass er Pickerings Ansinnen nachgegeben hatte, ihn vermutlich wieder für zu weich halten würde. Schon in Mr Shaws Fall hätte er spätestens in dem Moment, da der Verwalter sich gegen ihn aufgelehnt hatte, die Konsequenzen ziehen müssen. Und Pickering hätte eigentlich nicht vor Ende des Quartals den Dienst quittieren dürfen.
Aber Russell glaubte nun einmal daran, dass Menschen sich zum Positiven verändern konnten und es wenig Sinn hatte, jemanden, der nicht aus freien Stücken seine Pflichten versah, halten zu wollen.
“Es überrascht mich nicht zu hören, Mr Pickering, dass Sie uns verlassen werden”, sagte Arthur lakonisch. “Sie haben sich nie hier wohlgefühlt, weil Sie ein Stadtmensch sind, nicht wahr?”
“Ja, das stimmt.”
Arthur hatte ihn nie sonderlich gemocht, weil er ihn für einen Schnösel hielt, der hochnäsig auf ihn und die anderen Bediensteten herunterschaute. Er nahm sich vor, ihm auf seine Weise die Arroganz heimzuzahlen, und äußerte leichthin: “Ehe Sie abreisen, setzen wir uns in gemütlicher Runde zusammen und stoßen auf Ihre Zukunft an.”
Pickering nickte, denn mit einigen der Angestellten hatte er sich gut verstanden und wollte im besten Einvernehmen von ihnen scheiden.
Zwei Tage vor seiner Abreise fand er sich daher im Aufenthaltsraum des Personals zu dem kleinen, von Seiner Lordschaft gebilligten Umtrunk mit den anderen Bediensteten ein. Trinkend und plaudernd saß man zusammen, bis es spät wurde und die ersten Kollegen sich zurückzogen.
Der Raum leerte sich mehr und mehr, sodass schließlich nur noch Arthur, Peter und Mr Pickering beim Bier zusammensaßen.
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