Eine Braut muss her!
hatte. “Was hast du jetzt auf dem Herzen, mein Schatz?”, fragte er lächelnd, als er die Gattin ins Zimmer kommen sah.
“Dein Vater ist soeben eingetroffen”, verkündete sie aufgeregt. “Ich verstehe nicht, warum er sich nicht angemeldet hat. Das tut er doch sonst immer! Hast du eine Ahnung, warum er uns diesen überraschenden Besuch abstattet?”
“Ich könnte mir einen Grund denken”, antwortete Richard ausweichend und stand auf. “Wir werden bestimmt bald erfahren, warum er uns beehrt.”
Beim Verlassen des Arbeitszimmers ließ er der Gattin den Vortritt, ging mit ihr in den Salon und begrüßte den Vater. “Was verschafft uns die unerwartete Ehre?”, fragte er dann.
“Wir werden später darüber reden”, antwortete Jack. “Jetzt bin ich müde von der langen Fahrt und möchte mich etwas ausruhen.”
Richard hatte Verständnis und erwiderte: “Dann wirst du es mir sicher nicht übel nehmen, wenn ich die durch dein Eintreffen unterbrochene Arbeit fortsetze. Wir können dann nach dem Essen miteinander über dein Anliegen sprechen.”
“In Ordnung”, stimmte Jack zu, entschuldigte sich bei der Schwiegertochter und suchte die Räume auf, die er stets bei seinen Besuchen in Liscombe Manor bewohnte.
Nach dem Dinner, als Jack mit dem Sohn im Rauchsalon saß, sagte er unvermittelt: “Heute Nachmittag wolltest du wissen, warum ich hergekommen bin. Nun, der Anlass ist dein Bruder. Vor mehreren Monaten ist er zu Sir Godfrey Markham gefahren, weil er um die Hand von dessen Tochter anhalten sollte, und seither habe ich kein Lebenszeichen von ihm erhalten.”
“Nach dem Besuch bei Sir Godfrey war er kurz bei mir”, warf Richard ein.
“So?”, fragte Jack erstaunt. “Dann kannst du mir gewiss verraten, wo er sich jetzt befindet.”
“Das könnte ich, werde das aber nicht tun”, erwiderte Richard gelassen.
Verstimmt schaute Jack ihn an. “Und warum nicht, wenn ich fragen darf?”
“Er möchte nicht, dass jemand weiß, wo er sich zurzeit aufhält”, sagte Richard ruhig.
“Es ist deine Pflicht, mir das mitzuteilen!”, äußerte Jack erregt.
“Nun, dazu zwingen kannst du mich nicht”, entgegnete Richard trocken. “Ich möchte auch nicht, dass du mich in einen Interessenkonflikt bringst.”
“Interessenkonflikt?” wiederholte Jack ungehalten. “Auf wessen Seite stehst du, auf meiner oder Russells? Selbstverständlich hast du meine Partei zu ergreifen, denn ich bin dein Vater! Also, heraus damit! Wo ist dein Bruder?”
“Ich lasse mich nicht von dir unter Druck setzen”, antwortete Richard kühl. “Vergiss nicht, dass ich volljährig und nicht mehr von dir abhängig bin, in keiner Weise! Ich lebe mein eigenes Leben, und es gehört zu meinen Prinzipien, ein gegebenes Wort nicht zu brechen. Gleichviel, ich will nicht, dass wir uns durch diese Angelegenheit entzweien. Im Übrigen kann ich dir nicht mit hundertprozentiger Sicherheit sagen, wo Russell sich zurzeit befindet. Ich kann nur eine Vermutung äußern.”
“Dann äußere sie!” herrschte Jack den Sohn an. “Ich kann mich des Eindrucks nicht erwehren, dass ihr beide euch gegen mich verschworen habt!”
“Mit dieser Bemerkung hast du in gewisser Weise recht”, sagte Richard gleichmütig. “Es tut mir leid, dir vorhalten zu müssen, dass du Russell viel zu lange unterdrückt hast und es mich nicht wundert, wenn er sich jetzt endlich gegen dich zu behaupten versucht. In deinen Augen ist er nicht viel wert, wie du zu beteuern nicht müde wirst, doch ich weise dich darauf hin, dass du sehr schnell herausfinden würdest, welch scharfen Verstand er hat, machtest du dir auch nur ein Mal die Mühe, vernünftig mit ihm zu reden. Ich bedauere nicht, dir einzugestehen, wie froh ich darüber bin, dass er sich dir nach all den Jahren widersetzt.”
Entgeistert starrte Jack den Sohn an und äußerte fassungslos: “Wie kannst du es wagen, so mit mir zu reden! Du bist unverschämt, Richard!”
“Meine Worte mögen dir nicht gefallen”, erwiderte Richard unbeeindruckt. “Sie kamen jedoch von Herzen. Jemand muss dir einmal die Wahrheit sagen, Vater! Und dazu gehört auch, dich darauf hinzuweisen, dass es mich stets gestört hat, wie respektlos du Russell behandelst. Glaub mir, er wird von sich hören lassen, wenn er es für richtig erachtet. Ich bin indes davon überzeugt, dass du ihn dann sehr verändert finden wirst.”
Wütend stand Jack auf und warf ein: “Das reicht, Richard! Du vergreifst dich auf unverzeihliche Weise im
Weitere Kostenlose Bücher